Afrika, Meine Passion
mir nicht vorstellen, dass Lketinga sich auf sein Motorrad setzen wird, und bin gespannt, wie und wann sie zurückkommen werden.
Wir warten schon fast eine Stunde. Napirai hält die Anspannung sichtlich kaum mehr aus, aber ich kann ihr nicht viel helfen, außer da zu sein. Gerne würde ich jetzt ihre Gedanken lesen können.
Die Zebras sind immer noch am Wasserloch und schauen etwas gelangweilt zu uns herüber, während zwei Affen streiten und kreischen.
N apirai wird zusehends nervöser und auch ich bin nicht die Ruhe in Person. Kurz bevor es dunkel wird, hören wir Motorenlärm in der sonst stillen Gegend. Erst ein Motorrad und dann ein Auto! Unmöglich, dass Lketinga ein Auto besitzt – oder? Schon möchte ich die Terrasse verlassen, als mich Napirai am Ärmel zurückhält und mich bittet, hierzubleiben.
NAPIRAI Jetzt sind wir schon eine ganze Weile in dieser Lodge und warten auf die Ankunft meines Vaters. Trotz schöner Umgebung und angenehmer Stimmung empfinde ich das Warten wie eine Ewigkeit. Ich bin etwas unsicher, was passieren wird, wenn wir uns das erste Mal sehen, und ob er mich als Tochter akzeptieren wird. Ich hoffe es. Ich freue mich riesig, endlich diesen Moment erleben zu dürfen und bald meinem Vater gegenüberzustehen. Immer wieder lausche ich den Fahrzeug-Geräuschen von Maralal, die man bis zu unserer Lodge hören kann. Ist er das wohl? Das denke ich bei jedem noch so kleinen Geräusch. Es kommt mir vor, als wäre die Zeit stehen geblieben, und ich werde immer nervöser. Im Bauch kündigt sich wieder dieses flaue Gefühl an. Ich will einfach nicht mehr warten.
Dann endlich, nach gefühlten drei Stunden, höre ich James’ Motorrad. In diesem Moment könnte ich weinen vor Freude und Aufregung, doch es passiert nicht, wieso weiß ich nicht.
Nur noch wenige Augenblicke, und dann werde ich ihn sehen, nicht zu glauben. Ich wollte meine Mutter dabeihaben, wenn wir uns das erste Mal treffen, und so wartet sie Gott sei Dank zusammen mit mir auf der Terrasse.
Ich sehe eine große, hagere Gestalt mit einem weißen Hut langsam und elegant zwischen den Bäumen auf die Lodge zusteuern. »Napirai, schau, das ist dein Vater, der da so würdevoll auf uns zukommt«, entfährt es mir aufgeregt. Mein Herz schlägt nun bis zum Hals und ich kann kaum einen klaren Gedanken fassen. Ich spüre förmlich die innere Aufregung meiner Tochter. Hoffentlich geht alles gut und ihr Vater benimmt sich nicht eigenartig, ist meine ganze Sorge.
Lketinga kommt durch die Terrassentür, bleibt einen kurzen Moment stehen und schaut mit suchendem Blick in unsere Richtung. Er hat sich sorgfältig gekleidet, das sehe ich sofort. Er trägt ein dunkelgraues Jackett, das etwas zu groß ist, aber wunderbar zu seinen grau-weiß karierten »Bäckerhosen« passt. Sein weißes Hemd ist abgestimmt mit seinem hellen breitrandigen Hut, der mit kleinen orangebraunen Perlen und Münzen verziert ist. Über dem Hemd hängt ein mit bunten Perlen verziertes Holzfläschchen, in dem er seinen Schnupftabak aufbewahrt. Sein dunkles, angespanntes Gesicht verändert sich sofort, als er seine Tochter erblickt. Ich möchte gerade auf ihn zulaufen, als er schnurstracks auf Napirai losmarschiert. Auf meiner Höhe sagt er mit tiefer, rauchiger Stimme: »Not you, I want my child! – Ich will nicht dich, ich will mein Kind.« Dabei geht er direkt auf Napirai zu und umarmt sie derart heftig, dass ich nach einiger Zeit befürchte, sie bekomme keine Luft mehr. Erst danach umarmt er auch mich herzlich. Er ist sichtlich überwältigt von seiner Tochter, schaut sie in der folgenden halben Stunde fast unentwegt stumm an und schüttelt hin und wieder ungläubig den Kopf, während er mit den Händen über sein Gesicht streicht. Auch mir wird das Herz schwer, als ich sehe, wie er mit seinen Gefühlen kämpfen muss. In seiner Kultur versucht man, die Emotionen zu verbergen, was ihm momentan einige Mühe bereitet. Napirai strahlt über das ganze Gesicht. Ich glaube, die spontane, heftige Umarmung ihres Vaters hat die ganze Anspannung in ihr auflösen können, den Rest lacht sie einfach weg.
NAPIRAI Mein Herz klopft bis zum Hals, als mein Vater auf der Terrasse auftaucht. Ich habe ihn mir eigentlich genau so vorgestellt und bin glücklich, ihn jetzt endlich treffen zu können. Sein Gesicht erhellt sich, als er mich sieht. Schnell und sehr entschlossen kommt er auf mich zu. Er umarmt mich innig und ich kann spüren, wie gerührt er ist. Ich denke einfach über gar
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