Afrika Quer (German Edition)
verzog den Mund. „Der Rest ist Sauberkeit, also Hygiene, und keine Korruption in der Verwaltung, und ein Bankensystem, in dem keine Zinsen erhoben werden.“
Dass in Gusau noch mehr Plastiktüten herumflogen und noch mehr Müll herumlag als in den anderen nord-nigerianischen Städten, war auch mir aufgefallen.
Mit uns zwei Journalisten kamen einige Bittsteller in das Büro des Gouverneurs und stellten sich mit gesenktem Kopf und gefalteten Händen vor seinem Schreibtisch auf. Nach zwei Minuten mussten sie jedoch wieder zurück in den Wartesaal, denn nun gab uns der Gouverneur ein Interview.
Mit uns war auch ein Kameramann in sein Büro gekommen. Ich glaube nicht, dass das Interview später irgendwo gesendet wurde. Es gab ja keinen Fernsehsender in Zamfara. Offenbar wurde es nur gefilmt, weil die Beteiligten glaubten, dass sich das heutzutage so gehört. Bei vielen Interviews, die ich auf der Durchquerung führte, beim Bürgermeister von Hargeisa zum Beispiel und einem mäßig bekannten Marabu im Senegal, war es so. So hatten sie es im Fernsehen, auf CNN, gesehen. Deshalb mussten auch ihre Interviews gefilmt werden. Dass sie später nicht gesendet wurden, war nicht so wichtig.
Nachdem der Kameramann ein Zeichen gegeben hatte, dass er drehte, reckten der Gouverneur und seine Mitarbeiter ihre geöffneten Handflächen gen Himmel. Sie beteten zur Vergebung ihrer Sünden, klärte mich der malaysische Journalist auf. Dann schwenkte der Kameramann zum Beweis, dass die Richtige Welt am Mund des Gouverneurs hängt, auf uns Journalisten, wie wir unsere Fragen stellten, und dann auf das Zentrum der Aufmerksamkeit, den Gouverneur selbst.
Ich ließ dem malaysischen Journalisten den Vortritt. Der Gouverneur ergoss sich in einer langen Aufzählung von Errungenschaften, die seine Regierung seit ihrem Amtsantritt vor zwei Jahren schon nach Zamfara gebracht hat. Er nannte Schulen, mehr Schulen, Krankenhäuser, das Ende der Korruption im Amt, ein höheres Steueraufkommen, die Verteilung von Dünger, hergerichtete Straßen, aufgestellte Straßenlaternen, Strom in den Dörfern und die Planung eines lokalen Fernsehsenders.
Das größte Projekt von allen war jedoch der Bau eines neuen Gouverneurspalastes in diesem oder im nächsten Jahr. Ein buntes Modell des Gebäudes stand auf einem Schrank neben dem Schreibtisch des Gouverneurs. Der Komplex wirkte riesig. Das Hauptgebäude war mehrstöckig und hatte drei große Kuppeln aus Glas.
Der Gouverneur hatte frei gesprochen, aber fünf seiner Mitarbeiter, die hinter uns und dem Kameramann auf einem Sofa saßen, soufflierten, wenn er mit seiner Aufzählung ins Stocken geriet. Wenn er sie hartnäckig ignorierte, schrieben sie ihm kleine Zettel und legten sie ihm auf den Schreibtisch. Auf einem stand: „Die Einführung des wöchentlichen Gebetes.“
Der Gouverneur beendete seinen Satz, nahm den Zettel in die Hand und guckte wie ein Schüler, den man auf einen Fehler beim Aufsagen eines auswendig gelernten Gedichtes aufmerksam gemacht hat. „Ach, das. Kinderspiel! Das war doch einfach. Das wusste ich doch“, schienen seine Augen sagen zu wollen. Dann rühmte er sich der Einführung des wöchentlichen Gebetes und dessen Ausstrahlung auf dem lokalen Radiosender, versicherte sich durch einen schüchternen Blick, ob die Kamera noch lief, und fuhr mit seinem Auswendiggelernten fort.
Er spulte sein Programm ab, so wie er es geübt hatte, und wenn er sich verhaspelte, dann gab es ja seine Mitarbeiter im Hintergrund, um ihm vorzusagen. Deshalb kam mir der Gouverneur ein bisschen vor wie ein Kind, das ehrgeizige Eltern für eine Darbietung auf der Schulbühne trainiert haben.
Außerdem hatte ich inzwischen aktuelle Fotos von ihm und zum Vergleich solche von vor seiner Wahl vor gut zwei Jahren gesehen. Sie zeigten zwei verschiedene Menschen. Auf den alten Fotos war ein junger Mann mit einem runden, jugendlichen Gesicht, einem dünnen Schnurrbart und einem Käppchen auf dem Kopf zu sehen. Aber auf den aktuellen Fotos sah man auf einmal einen feisten Mann mit einem dicken Vollbart und einem weißen Turban auf dem Kopf, der so breit und gütig lächelte, dass einem angst und bang wurde.
Inzwischen hatte der Gouverneur auch seinen Namen geändert. Vor der Wahl hieß er noch Ahmed Sani. Heute hieß er Ahma(!)d Sani. Er hatte seinen Namen arabisiert, und der junge Mann mit dem runden Gesicht aus dem Wahlkampf hatte sich in einen islamischen Weisen verwandelt.
Dann war ich mit meinen Fragen an der
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