Afrika Quer (German Edition)
Afrikaner, als es kurzzeitig so aussah, als ob ihre Präsidenten durch den Rohstoffreichtum ihrer Länder die obersten Patrone wären. Und in den neunziger Jahren, als die Geberländer, also diejenigen, die etwas zu verteilen haben, auf einmal verlangten, dass aus Afrikas Politikern Demokraten wurden, führten sie wie selbstverständlich freie Wahlen ein.
Im Grunde ihres Herzens jedoch waren sich die Politiker immer treu geblieben. Sie blieben, was sie immer waren: Klienten. Und wenn jemand dadurch neue Geldquellen erschließen konnte, war es nur der natürliche Gang der Dinge, dass aus einem etwas unbedarft dreinschauenden jungen Mann namens Ahmed Sani ohne jeglichen sichtlichen inneren Konflikt der islamische Geistliche Ahmad Sani wurde. Und dass damit ein solcher Windbeutel das bevölkerungsreichste Land des Kontinents und das reichste Land außerhalb von Südafrika an den Rand des Bürgerkrieges brachte.
Drei Wochen später las ich folgende Meldung: Der stellvertretende Parlamentspräsident des Zamfara-Bundeslandes wurde von einer Regierungskommission von seinem Amt suspendiert. Er war mit mehreren Prostituierten und einem Sechserpack Bier in Kano festgenommen worden. Und am Tag zuvor wurde schon der Abgeordnete Mustapha Alkohol trinkend mit seiner Freundin in seinem Wagen aufgegriffen.
Und dann hatte jemand - von allen Ländern - in Nigeria, wo die Korruption der Politiker sprichwörtlich ist, die protzigen Autos, das ausschweifende Leben zu ihnen gehört wie die Hitze zu Afrika, das islamische Strafrecht einführen wollen! Da hatte doch irgendetwas faul sein müssen. Okay. Alles klar. Inzwischen hatte dann auch ich verstanden.
P.S. Liebe Frau mit dem Erdbeermund, ich denke, ich bin dir eine Erklärung schuldig. Du hattest ja so Recht. Als ich in Gusau ankam, verstand ich überhaupt nichts. Mein Fehler. Wie konnte ich mich gegen jede Erfahrung und jedes bessere Wissen so täuschen lassen.
Später habe ich mich immer nach dir umgeschaut, wenn ich in der Polizei-Kaserne oder den Kneipen auf dem Armeegelände etwas außerhalb der Stadt Bier getrunken habe. Ich habe immer gehofft, dich noch einmal zu treffen, aber du bliebst verschwunden. Hätte ich nur gewusst, als wir uns trafen, was ich jetzt wusste, hätte ich ganz sicher völlig anders reagiert. Natürlich war ich von der Abdullahi-Familie oder von der Mammadou-Familie. Von welcher du auch immer willst eigentlich. Und mich mit dir gemeinsam ein bisschen gegen die Scharia zu versündigen, dazu hätte ich bestimmt nicht Nein gesagt.
Scharia-Cha Cha (Kano)
Das ist die Geschichte des Scharia-Cha Cha, eines Tanzes aus dem Norden Nigerias. In Afrika hat jede ethnische Gruppe, jedes Land, ja fast jede Stadt einen.
Die Hausa haben den Scharia-Cha Cha, aber sie tanzen ihn nicht wie sonst zu mitreißender Musik in den Bars und Spelunken in den Vororten ihrer Städte. Sie tanzen ihn vor Gericht. Und ihr Kapellmeister ist ein Richter. Ich beobachtete ihn beim Hohen Scharia-Gericht von Gyadi Gyadi in Kano. Und das ging so.
Die Einführung des islamischen Strafrechtes war in Kano, der größten Stadt des Nordens, sehr beliebt. Eine ältere Frau, Beteiligte in einem Erbstreit vor dem Gericht in Gyadi Gyadi, sagte mir: „Endlich fängt die Justiz wieder an zu funktionieren.“
Außerdem rief die Scharia in Kano Begeisterung hervor, weil der Anstoß vom ländlichen Zamfara ausging. Wenn diese Hinterwäldler die Scharia einführen konnten, dachten viele Leute, dann verstand sich das im traditionsreichen Kano von selbst.
Und natürlich hatte die Scharia im Norden Nigerias auch viele Anhänger, weil der Regierung Olusegun Obasanjos dadurch ein Knüppel zwischen die Beine geworfen wurde, weil also der Norden dem Süden und seinem Präsidenten eines auswischen konnte.
Aber das am häufigsten genannte Argument für die Einführung der Scharia in Kano war: Das alte Justizsystem war völlig unbrauchbar geworden, die Richter waren korrupt, die Verfahren verliefen – wenn überhaupt irgendwo - im Sand. Man bekam kein Recht mehr. Nigerianischer Endzustand eben!
Wohl deshalb war der Richter in Gyadi Gyadi heute morgen ein veränderter Mann. Gestern, als er mich für zehn Uhr herbestellt hatte, war er mir mit seiner schwarzen Schaffellmütze, den stechenden Augen, dem grauen, dichten Vollbart und seinem wallenden Gewand noch bedrohlich und unnahbar erschienen, wie ein Relikt aus einer anderen Zeit. Gestern sprach er nur mit mir über den Umweg des Justizbeamten, der mich zu
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