Afrika Quer (German Edition)
Hinter ihm an der Wand sah man das Wappen seines Emirates: drei an die Wand gemalte Palmen und ein echtes, waagrecht hineingehängtes Schwert.
Der Saal war in dem für afrikanische Residenzen typischen Stil, mit goldlackierten Stühlen und viel Kitsch, dekoriert. An den Wänden hingen Uhren, eine neben der anderen, wie sie in Nigeria als Werbegeschenke hergestellt werden, und parallel dazu verliefen rot-gelb-blau-silber gemalte Sternenreliefs.
Der Emir schilderte kurz den Endzustand des Institutes zur Erforschung des Dattelanbaus – es regnete durch Löcher in der Decke, es gab kein Papier, keine Reagenzgläser und die Angestellten hatten schon seit langem keine Gehälter mehr bekommen – und unterstrich die Bedeutung des Dattelanbaus für die Region.
Nach einer guten halben Stunde waren alle zufrieden. Der Emir konnte sich geschmeichelt fühlen, dass die Delegation zu ihm gekommen war, obwohl sie das nicht musste, und die wiederum wusste, dass sie im Emir einen einflussreichen Fürsprecher ihres Institutes hatte.
Dann zog der Hofstaat wieder in den etwas kleineren Saal zur Ernennung der Dorfchefs um. Er war ebenso bunt angestrichen wie der Thronsaal. Die Wände waren jedoch mit naiv gemalten Porträts des Emirs geschmückt. Ein auf antik gemachtes Sofa diente als Thron.
Von den Wachen wurden die Dorfchefs mit einem Dutzend ihrer Anhänger wie Vieh in den Raum getrieben. Um ihren Eid zu geloben, lagen sie mehr vor dem Emir, als sie knieten. Sie hatten staubige Füße, schmutzige Boubous an und rochen nach Kuhstall. Ein kleines Wölkchen von Fliegen war mit ihnen hereingekommen, kreiste hartnäckig über ihnen und verschwand dann auch wieder, nachdem sie dem Emir die Hand geküsst und sich mit gesenktem Haupt entfernt hatten. Dem Emir wurde während der Zeremonie von zwei Dienern mit einem Fächer aus Straußenfedern Luft zugewedelt. Nachdem die letzten Dörfler außer Sichtweite waren, klappten wegen der Hitze die Hofchargen den Latz ihres kunstvoll gebundenen Turbans über den Kopf.
In dem Augenblick kamen sie mir vor wie Schauspieler, die hinter die Kulissen getreten waren und nun ihre Masken abnehmen konnten. Ja, natürlich! Das war es. Der ganze Hof mit seinem zeremoniellen Brimborium, mit seinen in bunte Roben gehüllten Höflingen war ein Mummenschanz, ein Theater für die Untertanen. Die wollten es so. So war ihr Bild vom Hof des Emirs. Deshalb mussten es ihnen die Höflinge bieten. Und die wurden ja auch nicht schlecht dafür bezahlt.
Inzwischen war es Zeit für das Mittagsgebet. Der Emir verschwand in der Moschee auf der Seite des Palastes, in dem auch die Räume für die weiblichen Angestellten, Köchinnen und Putzfrauen untergebracht sind.
Dann stieg er wieder in seinen dunklen Mercedes und ließ sich zu seinem Bungalow fahren, in dem er den Rest des Tages verbrachte. Ich bekam ein Mittagessen in einem kleinen Appartement am Eingang, konnte mich dort etwas ausruhen und meine Aufzeichnungen vervollständigen.
Eine halbe Stunde vor seinem Abendspaziergang kam der Emir wieder zu mir, weil ich ihm noch ein paar Fragen stellen wollte.
Nun trug er nur ein weißes Käppchen, einen schlichten Boubou, lehmverkrustete Schuhe, und er stützte sich auf einen Stock mit einem Gummipfropfen am Ende. So sah man zum ersten Mal seinen ergrauten Bart. Ohne seinen aufwendigen Turban wirkte er gebrechlich und fragil, wie ein etwas älterer Herr, dem man seinen Sitz in der U-Bahn anbieten würde.
Dann schauten wir kurz seine Pferde in einem Areal neben seinem Bungalow an. Er hielt sie für die Paraden an den großen Feiertagen. Und holten den Begleiter seiner allabendlichen Spaziergänge ab. Er war der Oberste Richter des Jigawa-Bundeslandes, auch er in den Fünfzigern, und auch er stützte sich auf einen Stock mit einem geschnitzten Holzgriff. Außerdem lief ein Leibwächter wortlos hinter uns her.
Im Norden Nigerias ist es nichts Ungewöhnliches, dass jemand vor einem anderen kniet. Ich sah es Leute vor Beamten, Richtern, muslimischen Geistlichen tun, und am Ende passierte es sogar mir. Ein Bettler in Gusau ließ sich allen Ernstes vor mir nieder, offenbar weil er sich ein Almosen davon versprach.
Aber nun, als wir mit dem Emir durch die Wohnviertel von Dutse schlenderten, begann eine wahre Orgie der Huldigung. Ein Lastwagen zum Beispiel, der Sand und ein paar Männer dazu auf der Ladefläche transportierte, hielt sofort an. Alle sprangen heraus und herab und knieten sich vor dem Emir hin. Der Emir lief schon
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