Afrika Quer (German Edition)
Mann hatte eine eiternde Wunde an seinem geschwollenen Zeigefinger und wollte dafür Medizin. Er ging nicht ins Krankenhaus, erzählte er, weil die Behandlung dort viel teurer sei, etwa das fünf- oder sechsfache koste, und weil Sanas Medikamente auch viel stärker sind.
Sana wühlte in dem Haufen alter Plastiktüten und Fläschchen auf dem Boden, in dem er seine Heilmittel aufbewahrt, und gab dem Mann ein Pulver zum Einreiben und zwei Stöckchen, die er im Wasser auflösen und trinken sollte.
Das erste Mittel war gegen „das alte Blut, das sich im Finger gesammelt hat“, das zweite ein Schmerzmittel.
Der Mann war wegen des Fingers vor ein paar Tagen schon einmal gekommen. Umgerechnet bezahlte er 7,50 Euro für die Behandlung.
Noch bevor ich richtig notieren konnte, wie die Heilpflanzen hießen, wofür sie angewandt werden und dass Sana alle selbst im Dogon-Land und dann nur zu bestimmten Zeiten und unter bestimmten rituellen Vorbereitungen sammelt, war schon die nächste Kundin da.
Die alte Frau hatte Ziernarben im Gesicht. Sie war Yoruba aus dem Südwesten Nigerias. Sie war jedoch mit einem einheimischen Mann verheiratet und hatte einen Stand am großen Markt in Mopti.
Heute kam sie nur kurz vorbei, um Sana ein bisschen Geld für Zigaretten zuzustecken. „Damit er sich gut um mein Problem kümmert“, sagte sie.
Das Geld schob Sana achtlos unter die Bastmatte, wechselte ein paar Worte mit der Frau und schenkte ihr sein leicht entrückt wirkendes Lächeln. Während wir die Frau ausfragten, saß er mit einem Gesicht da, das so aussah, als sei er für die Niederungen des Lebens völlig unangreifbar.
Ihr Problem war, dass sie bisher noch kein Kind bekommen hat, und in Afrika sind Frauen, die keine Kinder bekommen oder bekommen können, wie ein Apfelbaum ohne Äpfel. Sie haben ihren Zweck verfehlt.
Die Behandlung gegen Kinderlosigkeit war jedoch nicht ganz billig. Sie kostete fast fünfzig Euro. Wie alt die Frau war, wollte sei aber nicht sagen. Ich schätzte sie auf über Fünfzig. Bei einer Freundin jedoch, die auch bei Sana zu Behandlung war, verteidigte sie sich, hatte er helfen können. Die hatte erst kürzlich Zwillinge bekommen.
Weil sie so wenig Kunden an ihrem Stand am Markt hatte, war die alte Frau schon vorher bei Sana in Behandlung. Damals bekam die Händlerin ein Medikament, mit dem sie sich jeden Morgen ihr Gesicht einschmieren muss, erklärte Sana. Wenn die Leute ihr Gesicht sahen, mussten sie bei ihr kaufen, ob sie wollten oder nicht. Außerdem verbarg sie einen Fetisch zwischen ihren Waren.
Ich habe mir ihren Stand am Markt angeschaut. Sie verkaufte dort Toilettenartikel, Batterien und allen möglichen Plastikkrimskrams. Und bei mir hat das Medikament funktioniert. Ich kaufte eine Zahnbürste. Allerdings nur einmal, denn sie war schlechte Ware.
Während die Yoruba-Händlerin da war, kamen auch zwei Kinder herein gelaufen. Sana sagte, um zu gucken, ob die Luft rein war. Ihre Eltern wollten kommen, aber sie wollten von niemandem bei ihm gesehen werden.
Inzwischen war es 9 Uhr 30 geworden. Die erste Rotweinflasche war leer und Sana schwankte hinaus, um aufs Klo zu gehen.
Als er wieder zurückkam, sagte er: „Gott weiß, dass ich trinke. Ich muss trinken. Niemand könnte auch nur einen Heiler finden, der das nicht tut. Wegen meiner Arbeit habe ich ständig mit bösen Geistern zu tun. Dagegen muss ich mich schützen, und deshalb muss mein Mund voll Alkohol sein.“
Außerdem rauchte Sana fast ständig dunkle Zigaretten, und er steckte zwischendurch immer wieder ein Stückchen Kolanuss in den Mund. Die weisliche, manchmal rosafarbene Frucht ist in Westafrika allgegenwärtig. Sie macht einen ein bisschen wacher und hemmt den Appetit.
Als nächstes kam ein junger Mann mit einem braunen Turban und einem Boubou in derselben Farbe herein. Er sagte auch ganz offen, er sei Muslim. Er war heute zum ersten Mal bei Sana. Ein Freund hatte ihm den Heiler empfohlen. Auch er hatte nichts dagegen, dass wir blieben.
Sana ließ sich das Problem des Mannes schildern und begann dann sein Orakel zu werfen. Dazu benutzte er zwölf an einer Seite abgeflachte Kaurimuscheln. Aus ihrer Lage zueinander konnte er ablesen, wie es um das Problem des Mannes stand. Er nahm sie in eine Hand, zog sie schnell über die Bastmatte und ließ dann die kleinen Muscheln frei.
In Tansania hatte ich schon einmal traditionelle Heiler gesehen, die auch Orakel warfen. Außer Kaurimuscheln nahmen sie auch Schrauben, Murmeln und
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