Afrika Quer (German Edition)
kennen. Mamadou war Reiseführer in Mopti, er war achtunddreißig Jahre alt, und er war Dogon.
Diese ethnische Gruppe ist sehr bekannt. Wegen ihrer Skulpturen und Masken und weil viele Touristen gern in ihre schöne Region im Zentrum Malis fahren, um dort Wandertouren von Dorf zu Dorf zu machen. Die Dogon gelten als sehr traditionsbewusst. Der bekannte französische Ethnologe Marcel Griaule hat schon in den vierziger Jahren ein vielzitiertes Buch über ihre komplexe Schöpfungsgeschichte geschrieben, und noch heute haben sich die Dogon viel von dieser ursprünglichen Kultur erhalten.
Mamadou arbeitete in einem elegant eingerichteten Reisebüro in der Innenstadt, aber vor einer Bootsfahrt auf dem Niger, erzählte mir ein Tourist, hat Mamadou ein Huhn und drei Kolanüsse geopfert. Damit auf der Reise alles glatt lief.
„ Das stimmt“, sagte Mamadou. „Das mache ich jedes Mal. Mein persönlicher Heiler hat mir dazu geraten. Seit ich diesen Heiler habe, hat sich alles für mich geändert.“ Bevor er diesen Heiler traf, erzählte Mamadou, habe er oft wochen- oder monatelang keine Touristen gefunden. Und er hatte immer Probleme mit ihnen.
Mit einem Japaner zum Beispiel, mit dem er zusammen ins Dogon-Land fuhr. Mamadou hat mit ihm eine feste Summe für die Reise vereinbart. Der Japaner musste nur noch seine Getränke bezahlen. Aber dort angekommen verlangte er auf einmal, dass er für den Pauschalpreis auch Masken auf dem Kunstmarkt kaufen konnte. Mamadou musste zur Polizei gehen. Er erzählte, die gab ihm auch recht, und er kam ohne Verluste aus dem Geschäft heraus.
Aber Mamadou, unterbrach ich ihn, lagen diese Schwierigkeiten nicht einfach daran, dass du als Reiseführer damals noch unerfahren warst?
„ Nein“, sagte er, „wenn es solche Probleme gibt, denken Animisten immer, dass etwas faul ist.“
Alles änderte sich für Mamadou, sagte er, nachdem er vor vier Jahren den Heiler Sana kennen lernte. Davor hatte Mamadou schon mehr als ein Dutzend andere, aber keiner verfügte über so starke Kräfte wie er. Er gab ihm einen Talisman und ein Pulver, das Mamadou nun jede Woche über der Glut inhaliert. Außerdem muss Mamadou von Zeit zu Zeit ein Schaf oder ein Huhn für die Armen in der Moschee opfern.
„Seitdem läuft alles wie am Schnürchen. Ich habe keinen Ärger mit den Touristen, und mit meinem Chef verstehe ich mich prima.“
Und weil ich etwas skeptisch geguckt haben muss, fügte Mamadou mit dieser Mischung aus Scham und Trotz hinzu, die Afrikaner bei solchen Themen gerne an den Tag legen: „Hier in Afrika muss man sich auf jede Arbeit vorbereiten. Man muss sich vorher die entsprechenden Medikamente besorgen. Die guten Afrikaner ...“
Die guten Afrikaner?
„ Na, die, die stolz auf ihre Religion sind, meine ich. Also, die machen es einfach so. Und auf jeden Fall haut es für mich hin.“
Diesen Heiler Sana, von dessen Kraft Mamadou so überzeugt war, wollte ich treffen. Also besorgte ich mir einen Übersetzer - einen Bekannten von Mamadou und genau wie er Dogon und Reiseführer - und besuchte ihn.
Sana wohnte und arbeitete in einem schiefen, einstöckigen Häuschen in der Altstadt von Mopti oder besser gesagt in dessen winziger Kammer im Erdgeschoss. Dort schlief er, und dort empfing er auch seine Kunden und Patienten. Das Zimmer im ersten Stock des Hauses betrat er nie.
Sana wollte mir unbedingt seinen Personalausweis zeigen. Er hieß Sana Tembini und unter Beruf war dort „Bauer“ vermerkt. Er selbst nannte sich jedoch immer nur Heiler. Und natürlich war auch er Dogon.
Sana trug westliche Kleidung, eine khakifarbene Hose und oft kein T-Shirt, weil es so heiß und stickig war in dem kleinen Raum; und wenn doch, dann ein Hemdchen mit dem aufgedruckten Emblem einer westlichen Zigarettenmarke.
Er hatte einen breiten Schnurrbart, und wegen seinen funkelnden Augen und dem fehlenden Eckzahn hatte sein Gesicht trotz seiner einundvierzig Jahre etwas jungenhaft-schelmisches.
Sana war sofort bereit, mit uns zu reden. Er wollte dafür bezahlt werden, aber das ließ sich rechtfertigen. Wenn wir da waren, würde er weniger Kunden haben.
Ohne Zweifel verdiente Sana im afrikanischen Vergleich eine Menge Geld. Doch dafür erschien mir sein Leben seltsam unafrikanisch, fast spartanisch. Denn mit seinem Geld schien er nicht das zu tun, was der große Rest getan hätte. Wenn jemand in Afrika zu Wohlstand kommt, muss er mit seinem Geld protzen. Wozu konnte es sonst gut sein?
Sana arbeitete und schlief
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