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Afrika Quer (German Edition)

Afrika Quer (German Edition)

Titel: Afrika Quer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Boehm
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einem koketten Augenaufschlag in Sanas Richtung, „sind wir beide inzwischen verlobt.“ Und die zweite sagte, Sana sei sehr nett. Er nehme sie ernst. Er war der einzige, der ihnen helfen konnte.
    Die erste war heute gekommen, um nun „endgültig die Hand ihres Verlobten zu schnappen“. Die zweite, damit Sana die Kaurimuscheln für sie warf. Sie wollte wissen, ob das Problem mit ihrem Verlobten ein größeres war, oder ob es sich nach einer Weile wieder geben werde.
    „Ich weiß nicht, was mit ihm los ist“, sagte sie. „Ob er anderen Frauen nachsteigt, oder was? Ich habe solche Gerüchte gehört. Er geht abends aus und kommt erst sehr spät zurück.“
    Sana konnte ihr nicht helfen. Es war Dienstagnachmittag nach 14 Uhr. Bis Mittwochnachmittag hatte das Orakel keine Aussagekraft. Er gab beiden jedoch wieder ein Pülverchen. Ich weiß nicht, wofür oder wogegen. Ich hatte mehr den Eindruck, dass er den Frauen etwas gab, weil sie es von ihm erwarteten.
    Und dem Übersetzer ging es wie mir. Er staunte nicht schlecht. Als die beiden Frauen weg waren, sagte er: „Da gehen die Männer morgens aus dem Haus und ahnen nichts böses. Und wenn sie abends zurückkommen, haben ihre Frauen eine Überraschung für sie bereit.“ Sana schmunzelte nur.
    Dann mussten wir gehen. Ein Mann kam herein. Er war der Chauffeur einer Dame, die extra die 500 km aus der Hauptstadt Bamako angereist war, und sie wollte nicht, dass wir hörten, was sie von Sana wollte.
    Sie war Muslima. Deshalb versteckte Sana die Flasche mit dem Restchen Rotwein. Beim Hinausgehen sahen wir, dass die Dame sehr elegant angezogen war. Sie hatte ein teures, westliches Kostüm an, ihre Haare hochgesteckt und ihre Fingernägel in gedecktem Rot lackiert.
    Die traditionellen Heiler, die ich in Tansania gesehen hatte, habe ich nach ein paar Minuten ohne Ausnahme für Scharlatane gehalten. Ihnen ging es nur darum, Reibach zu machen und das schnell.
    Aber für Sana sah ich, außer dass er kleine Wehwehchen heilte, auch eine wichtige gesellschaftliche Funktion. War er nicht Dr. Sommer, beste Freundin, Psychotherapeut, Krankenpfleger und Rechtsanwalt in einem? Und waren seine Dienste nicht genau den Bedürfnissen einer afrikanischen Gesellschaft angepasst?
    Den Schutz gegen hungrige Polizisten hätte ich auch gerne gehabt, und den gegen Korruptionsvorwürfe - da bin ich sicher - eine ganze Menge Afrikaner.
    Sana sagte ganz offen, es gebe zwei Krankheiten, die er nicht heilen kann: Drogensucht und AIDS. Das war neu. Dieses Eingeständnis hatte ich von einem traditionellen Heiler in Afrika noch nie gehört.
    Dabei ist Sana nie in eine Schule gegangen. „Meine Schule waren die Pflanzen“, sagte er. Und natürlich sein Vater, der auch schon Heiler war und der sein Wissen an ihn weitergegeben hat.
    Und Sana wusste vom Endzustand. Seinen ältesten Sohn ließ er nicht in die Schule gehen. Er soll sein Nachfolger werden. „Es gibt so viele Leute in Mali, die an der Universität studiert haben und trotzdem keine Arbeit finden“, sagte er. Aber seine älteste Tochter war inzwischen in der zweiten Klasse.
    Während meiner fast vier Jahre in Afrika habe ich Dutzenden von Gesellschaftswissenschaftlern, Politikern und Journalisten zugehört. Ohne die eine oder andere Verschwörungstheorie kamen die wenigsten aus. Was sie sagten, hatte mit dem, was ich sah, was ich erlebte, so gut wie nichts zu tun. Oft hatte ich das Gefühl, sie und ich lebten nicht auf demselben Kontinent, möglicherweise noch nicht einmal auf demselben Planeten.
    Deshalb empfand ich es als so erstaunlich, was Sana über seine Gesellschaft zu sagen hatte. Er blieb in seinen Grenzen, aber zumindest machte er darin Sinn.
    Völlig unvermittelt erzählte er zum Beispiel: „Eigentlich ist meine Arbeit sehr oft gleich. Um drei Uhr morgens klopfen die Frauen an meine Tür und wissen nicht, wo ihnen der Kopf steht. Sie haben immer ein Problem mit ihren Männern und ihren Familien.“
    Oder: „In Afrika gibt es eine Menge Leute, die wollen, dass du nicht vorankommst. Sie versuchen, dich krank, dich verrückt zu machen. Wenn du eine Arbeit hast, und ich habe keine, werde ich versuchen, dir etwas anzutun. In Afrika gibt es soviel Bosheit, und dagegen muss man sich schützen.“
    Das deckte sich mit meinen Erfahrungen. Viel mehr musste man nicht dazu sagen, nur dass ich eine andere Terminologie benutzt hatte, dass ich Sanas „Bosheit“ „Unehrlichkeit“ nannte.
    Deshalb fand der Afrikaner in mir Sanas Erklärung

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