Afrika Quer (German Edition)
völlig plausibel und völlig ausreichend. Aber der Rest Europäer, der noch in mir war, rebellierte natürlich dagegen. Also sagte ich: Aber das kann man doch ändern. Das heißt doch noch lange nicht, dass das auf immer und ewig so bleiben muss. In Europa hat es sich ja auch geändert.
„ Aber Europa ist ganz anders“, erwiderte Sana. „Das sind doch zwei verschiedene Dinge. Die Leute müssen dieselben Dinge im Herzen haben, um miteinander auskommen zu können. Du hast keinen Wein getrunken und keine Zigaretten geraucht. Wie können wir dann dieselben Dinge im Herzen haben.“
Das war das, was Sana sagte, bzw. das, was der Übersetzer daraus machte. Ich habe nicht verstanden, was Sana mir damit sagen wollte. Und ich denke, er hatte nicht verstanden, was ich ihm hatte sagen wollen. Mit Afrikanern darüber zu reden, dass sich etwas ändern kann, schon geändert hat oder sich vielleicht irgendwann ändern wird, war oft nicht leicht. Historisches Denken ist kein afrikanisches Konzept. Hier war dann doch die afrikanisch-europäische Kommunikation zusammengebrochen.
48° C (Mopti – Timbuktu)
Ich fuhr nicht auf dem Niger nach Timbuktu. Es hatte schon lange nicht mehr geregnet, und er führte nicht genug Wasser. Deshalb lagen die Passagierschiffe im Hafen von Mopti fest. Ich hätte mit einer Motorpinasse, einem langen, wie ein Einbaum geformtem Boot, fahren müssen, und die Touristen, mit denen ich mir gerne die Kosten dafür geteilt hätte, wollten mich nicht dabei haben.
Auf dem Rückweg hätte ich dann die Pinasse nehmen können. Aber die Fahrt hätte eine Woche gedauert, und dafür hatte ich schon nicht mehr die Geduld.
Die Fahrt mit dem Geländewagen von Mopti nach Timbuktu war wieder die übliche Plackerei. Am Anfang raste der Fahrer wieder einmal mit neunzig Sachen durch die Steppe. Bis wir wieder einmal einen Platten hatte. Sein Assistent leierte wieder einmal Geld für meine Tasche auf dem Dachgepäckträger aus mir heraus. Und er kam fröhlich lachend zu mir, wenn wir irgendwo anhielten, damit ich ihm einen Yoghurt oder was auch immer kaufe. Er glaubte, er bereite mir damit eine große Freude.
Aber dafür war Timbuktu nicht so schlimm, wie ich befürchtet hatte. Wie Marrakesch und Sansibar löst bei vielen allein das Wort Timbuktu schon die Vorstellung von Tausend-und-einer-Nacht und einem überbordenden Bazar aus.
Timbuktu erlebte seine Glanzperiode im 14. Jahrhundert, als es im Reich Mali für kurze Zeit ein Zentrum der Kultur und des Handels war. Die Stadt lebte gut vom Karawanenhandel mit Elfenbein, Gold, Salz und Sklaven und war bekannt für ihre islamischen Gelehrten. Damals hatte sie 100.000 Einwohner. Heute hat sie noch 15.000.
Wenn man also die Berichte von Besuchern aus jüngerer Zeit las, waren sie immer enttäuscht von der Stadt. Ihre Erwartungen waren einfach zu hoch und ihre Erlebnisse dort zu erbärmlich. Ich hatte nur sehr geringe Erwartungen und war deshalb angenehm überrascht.
Hauptattraktion sind die aus rotbraunem Ton gebauten Moscheen und Mausoleen der Stadt. Mit ihren zinnenbekränzten Mauern erinnern einige an massige Burgen. Aus allen stehen die charakteristischen, zu ihrer Verstärkung eingebauten Holzstämme heraus, wie Stacheln aus Stachelschweinen.
Die Häuser in Timbuktus Altstadt sind fast ausschließlich aus mattweißen, sauber geschnittenen Steinen gebaut. Die Stadt liegt eigentlich schon in der Sahara, und durch den vielen Sand, der in Timbuktu um die Ecken weht, nehmen die Fassaden mit der Zeit eine beige Farbe an. Die Häuser sind fast immer zweistöckig, haben im Erdgeschoss große Spitzbögen und ein flaches Dach.
Auf diesen Dächern verbrachte ich meine Nächte. Es gab keine Moskitos. Aber sobald am Morgen die Sonne aufging, musste ich sofort den Schatten eines Hauses suchen, sonst hatte ich den ganzen Tag Kopfschmerzen.
Weil es in der Stadt keine öffentlichen Verkehrsmittel gibt, stapfte ich jeden Tag zu Fuß durch den knöcheltiefen Sand in den Straßen. Trotzdem fühlte ich mich wohl.
Die einheitlichen Häuserzeilen gaben Timbuktu den Charme eines historischen Disneylands. Deshalb kam ich mir dort ein bisschen vor wie in Aksum. Wenn ich am Morgen aufstand, vergewisserte ich mich immer erst, dass die schönen Häuser noch da waren.
Am Sklavenufer (Tillamedess)
Eigentlich wollte ich nur wissen, wem die Herde Kühe am Wasser gehört. Der junge Mann kam aus seinem niedrigen Zelt hervorgekrochen und sagte freundlich: „Das sind die Kühe von uns allen
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