Afrika Quer (German Edition)
Holzklötzchen in die Hand. Und sie warfen nur einmal und interpretierten dann hochwichtig die Lage der einzelnen Gegenstände zueinander.
Ohne jedes Brimborium nahm Sana nach jedem Wurf die Muscheln wieder in die Hand, vier, fünf Mal, so als ob er mit dem Ergebnis des Wurfes nicht zufrieden war und warf sie immer wieder.
Der junge Mann im Boubou machte sich Sorgen wegen seiner Frau. Er arbeitete in Mopti und hatte sie und ihr gemeinsames Kind im Dogon-Land gelassen. Nun hat er von Bekannten dort gehört, dass ein anderer Mann versuche, sie ihm abspenstig zu machen. Dieser andere Mann sei zu einem muslimischen Weisen, einem Marabu, gegangen, um die Frau mit einem Zauber zu belegen.
Das Dogon-Land ist nicht weit entfernt von Mopti, ein paar Stunden mit dem Bus. Nun wollte der junge Mann von Sana wissen, ob das stimmte.
Nachdem Sana seine Kaurimuscheln konsultiert hatte, sagte er: „Ja, das stimmt. Du musst sogar aufpassen, denn es sieht so aus, als ob deine Frau den anderen Mann mehr liebt als dich.“
Sana trug dem jungen Mann auf, ein ganz und gar weißes Huhn und drei Kolanüsse zu opfern und noch einmal über sein Problem nachzudenken. Wenn er glaube, was Sana gesagt und sich zur Behandlung entschlossen habe, solle er in einer Woche wieder kommen. Bezahlen musste er heute nichts. Das muss er erst, wenn die Behandlung begann. Aber er bekam schon einmal ein Medikament, ein Pulver, das er in Wasser auflösen und trinken sollte.
Zwischendurch war noch ein alter Freund von Sana hereingeplatzt. Er war Bauunternehmer und erzählte, er werde von zwei seiner Angestellten betrogen. Sie hatten Geld von einem Kunden gegessen, anstatt es an ihn weiterzuleiten.
Er selbst war Bozo, also von einer traditionell vom Fischfang lebenden ethnischen Gruppe; die Arbeiter aber wie Sana Dogon.
Der Unternehmer bat Sana, die Arbeiter zu warnen, dass er ihr Verhalten nicht länger hinnehmen werde, und der Heiler versprach, sich darum zu kümmern.
Der Bauunternehmer war schon gegangen, der junge Mann saß immer noch da, und Sana warf immer noch die Kaurimuscheln, als er sich aus heiterem Himmel auf einmal dem Übersetzer zuwandte.
Erst redete Sana ruhig auf ihn ein, so als erzähle er ihm den neuesten Klatsch. Aber man konnte am Gesicht des Übersetzers ablesen, dass er nicht Klatsch gehört, sondern gerade sehr schlechte Nachricht bekommen hatte. Er schluckte, machte große Augen, und sein Unterkiefer sackte immer tiefer.
Er war gebannt. Er konnte sich nicht abwenden. Er saß wie die Schlange vor dem Kaninchen. Und je tiefer der Schock bei ihm einsickerte, um so sicherer schien sich Sana seiner Sache zu werden.
Zwar ließ der Heiler sich an seiner Miene nichts anmerken, aber er redete immer intensiver auf sein Opfer ein.
Ich sagte gar nichts, fragte aber den Übersetzer, nachdem wir gegangen waren, was denn los war.
Er kam nur sehr widerwillig mit der Sprache heraus. Sana hatte ihm gesagt, dass ihn einer seiner Kollegen betrog. Sana nannte keinen Namen, ja, gab keinerlei Hinweise auf seine Identität. Aber der Übersetzer hatte ohnehin schon einen seiner Kollegen im Verdacht. Nun fühlte er sich bestätigt. Er nahm sich vor, den Kollegen zur Rede zu stellen.
Inzwischen war es Mittag geworden, die zweite Flasche Rotwein war halb leer, und wir machten eine Pause. Ich war froh, aus Sanas stickiger und vollgequalmter Kammer herauszukommen.
Als wir um drei Uhr wieder kamen, saß schon wieder eine Frau bei Sana. Sie war Mitte zwanzig und trug ein modisches, blaues Kostüm. Sie kam oft zu ihm. Sie war schon fast eine Bekannte, sagte sie.
Diesmal war sie gekommen, weil sie ein Medikament gegen ihre Monatsbeschwerden brauchte. Sie konnte nur 500 FCFA bezahlen. Die Geschäfte gingen nicht gut zur Zeit, entschuldigte sie sich. Sie frittierte Plätzchen an der Straße. Aber Sana sagte, das sei nicht tragisch. Jeder bezahle so viel er kann.
Und dann kamen gleich noch zwei Frauen, auch sie Mitte zwanzig und auch sie sehr sorgfältig gekleidet. Sie trugen Kostüme aus demselben Stoff wie der eines Boubous, aber mit dem Schnitt eines europäischen Kostüms.
Die erste war Kindergärtnerin, eine Bambara, von dem malischen Staatsvolk aus dem Süden des Landes. Die zweite handelte mit Kleidern und war Songhai, aus dem Nordosten des Landes.
Beide waren Muslime, und sie waren schon ein paar Mal bei Sana, immer wegen desselben Problems. Bisher hatten sie noch keinen Ehemann gefunden.
„ Aber mit der Hilfe Gottes“, erklärte die erste mit
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