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Afrika Quer (German Edition)

Afrika Quer (German Edition)

Titel: Afrika Quer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Boehm
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aussah wie ein Turban, sondern mehr wie ein Kopftuch. Mit dem Tuch wirkte sein Kopf zu klein für seinen großen Körper, wie ein Helm aus Stoff, und der gab ihm etwas finsteres und archaisches. So stellte ich mir den Adepten einer geheimen Sekte vor, der in der Öffentlichkeit nicht erkannt werden wollte.
    Ich sah Aguissa nie ohne dieses Tuch. Außerdem trug er einen einfachen, hellblauen Boubou, eine dazu passende Stoffhose und abgetragene Wildlederschuhe. Und wenn wir nach Tillamedess fuhren, stützte er sich auf einen Knotenstock und trug ein Tuareg-Schwert unter dem Gewand.
    Gleich am nächsten Morgen machten wir uns auf den Weg. Zuerst fuhren Aguissa und ich nach Kourioume, dem Hafen von Timbuktu am Fluss, dann noch ein paar Kilometer mit dem Motarradtaxi über einen Deich zu dem Dörfchen Toya. Von dort waren es noch anderthalb Stunden zu Fuß am stahlblauen Wasser des Niger entlang. Das Tuareg-Lager war vom Ufer des Niger nur durch eine kleine Bodenwelle getrennt. Den ganzen Tag wehte ein starker Wind, so dass man sich kaum unterhalten konnte.
    Als wir in dem Lager ankamen, wurden wir sofort in das Zelt des traditionellen Chefs geführt. Er sagte, das Lager heiße Tillamedess I. Es habe 240 Bewohner. Nicht weit von hier – der Chef zeigte vom Niger weg - gebe es noch die Lager Tillamedess II und III.
    Erst ganz am Ende meiner Zeit in Timbuktu habe ich erfahren, dass dort ein Teil der Bellas lebte, die Tillamedess I verlassen haben. „Unsere Schwarzen“, sagte Aliasid Ag Ahmed, der Tillamedess I im Gemeinderat von Toya vertrat. Der traditionelle Chef und Aguissa hatten das nicht erwähnt. Der Chef sagte nur: „Die gehören zur selben Familie.“
    Von außen sahen die Zelte in Tillamedess aus wie flache Miniatur-Bierzelte in der Steppe. An den Seiten waren Holzpflöcke in den Boden gerammt und darüber ein Dachgerüst aus dünnen Ästen gelegt. Die Seitenwände und das Dach waren mit geflochtenen Grasmatten bedeckt.
    Die Zelte waren so flach, dass man auf die Knie gehen und sich dann noch bücken musste, um hineinzukriechen. In der Mitte war die Decke etwas höher, aber stehen konnte darunter nur ein Kleinkind. Am Boden der Zelte lagen dieselben Matten, die auch für das Dach verwendet wurden oder nur etwas Stroh. Wenn es zu heiß war, schob man an zwei gegenüberliegenden Stellen die Außenwände etwas zur Seite, damit der Wind durchblasen konnte.
    Eine Familie hatte zwei oder drei Zelte nebeneinander. Dann musste man wieder ein paar Minuten gehen, bis man sicher war, dass die Pünktchen auf den weiten Wiesen die Behausungen der nächsten Familie waren.
    Das Gras um die Zelte war von der Sonne verbrannt, und überall lag Kuhdung herum. Aber die Kühe und Schafe waren am Tag nicht zu sehen.
    Die ganze Habe des Chefs hing an den Stirnseiten seines Zeltes an Schnüren von der Decke. Er besaß ein paar eingerollte Decken und bunte Matten, einen alten Schalenkoffer, eine Reisetasche, eine Blechkiste, den typischen Tuareg-Kamelsattel mit dem dreigabeligen Griff und der Rückenlehne sowie ein paar alte Kanister und Dosen, die einmal Motoröl enthalten hatten. Darin bewahrte er Trinkwasser auf.
    Er selbst war mit einem weißen, sauber gewaschenen Tuch verschleiert, und er trug einen weiß bestickten Boubou auf dem nackten Oberkörper.
    Gleich neben seinem stand das Zelt seiner Frau. Sie hatte eine sehr helle Haut und glatte, zu Zöpfen geflochtene Haare. Die Zöpfe legte sie um den Hinterkopf, wie Zensi in der Wüste.
    Sie besaß ein paar Hühner, ein paar irdene Schüsseln und Krüge, aus Leder genähte Kissen und auch eine große Metallkiste.
    Die ganze Zeit liefen eine Frau und ein Mädchen mit dunkler Hautfarbe um das Zelt herum. Offenbar bereiteten sie gerade das Mittagessen zu.
    Der Chef sagte, dass sich die Leute von Tillamedess von der großen Dürre von 1984 nie richtig erholt haben. Ihre gesamten Herden seien damals verhungert. „Die meisten von uns haben heute ein, zwei oder drei Kühe, wenn es hochkommt.“ Und die hätten sie von einer Hilfsorganisation geschenkt bekommen.
    Dieselbe Organisation habe damals auch mit Schulprogrammen für ihre Kinder begonnen. Und im vergangenen Jahr wurde in dem Dörfchen Toya sogar eine Grundschule gebaut. Die Eltern müssten die Lehrer, die Stifte und die Hefte der Schüler aber selbst bezahlen. Er nannte eine hohe Summe. Aber nichtsdestotrotz gingen die Kinder von Tillamedess nun jeden Morgen dorthin. Außerdem hätten sie vor ein paar Jahren mit dem Reisanbau

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