Afrika Quer (German Edition)
hier, den Tuareg, den Songhai und den Sklaven.“
Er sprach Französisch, aber ich war nicht sicher, ob ich ihn richtig verstand. Er sprach das letzte Wort so ohne jede Emotion aus. Und so wiederholte ich langsam: Das…sind…die…Kühe…der…Tuareg,…der…Songhai…und…der…Sklaven?
„ Ja, genau!“, bestätigte er ohne erkennbare Häme oder Ironie in der Stimme.
Darauf war ich nicht vorbereitet. Wir waren in Tillamedess, einem Tuareg-Lager außerhalb von Timbuktu. Dass der junge Mann so selbstverständlich von Sklaven sprach, machte mich perplex.
Sklaven waren bisher in meinem Bild von den Tuareg nicht vorgekommen. Bruce Hall hatte mich gewarnt, dass so etwas passieren würde, und nur um das zu überprüfen, war ich ja hergekommen.
Bruce war ein kanadischer Historiker, der in Timbuktu für seine Doktorarbeit recherchierte. Aber ich habe ihm nicht geglaubt. Ich dachte, die Leute erzählen viel, wenn der Tag lang ist, das weiß doch jeder. Und als es dann tatsächlich passierte, war ich nicht vorbereitet.
Wie auch? Bevor ich nach Timbuktu kam, war ich noch nie mit den Tuareg in Kontakt gekommen. Mein Bild von ihnen wurde von Zeitungsartikeln und Büchern geprägt. Und davon gibt es genug.
Selbst Leute, die sonst nur wenig über Afrika wissen, haben bestimmt schon einmal von ihnen gehört. Wie die Massai in Kenia und Tansania scheinen die Tuareg genau in das Bild zu passen, das sich der Westen von Afrika macht. Weil sich manche Tuareg in indigofarbenen Umhängen und Turbanen kleiden, werden sie in den europäischen Medien mit Vorliebe „die blauen Ritter der Wüste“ genannt. Das macht sich immer gut.
Und sie gelten als eine Art mittelalterliche Helden, als hart aber gerecht. Sie trotzen der harschen Umwelt, in der sie leben. Und sie haben eine reich ausgeprägte Kultur, auf die sie stolz sind und die sie mit aller Macht verteidigen.
Schon in in den zwanziger Jahren rebellierten die Tuareg im Nachbarland Niger gegen die französische Kolonialmacht. In den sechziger Jahren griffen die Tuareg im Norden Malis zu den Waffen, weil sie sich von der Macht des jungen Landes ausgeschlossen fühlten. Und in den neunziger Jahren rebellierten die Tuareg wieder, um eine autonome Region oder gar ein unabhängiges Land im Norden Nigers und Malis zu erkämpfen.
Aber auf das, was mich in Tillamedess erwartete, hat mich meine Lektüre über die Tuareg eben nicht vorbereitet. Deshalb nahm ich Bruce nicht ernst, als er mir erzählte, die Tuareg-Gesellschaft sei so von der Dichotomie von Noblen und Sklaven geprägt, dass sie ohne sie gar nicht vorstellbar sei.
Deshalb wollte ich selbst zu den Tuareg fahren. Am liebsten mit einem ihrer Sklaven, der sich von ihnen gelöst hat. Er konnte mir am besten etwas über das Verhältnis zu seinen ehemaligen Herren erzählen. Und er sollte mich den Tuareg vorstellen. Sicher waren Sklaven für sie ein heikles Thema. Ich befürchtete Schwierigkeiten.
Der Lehrer, bei dem Bruce Songhai lernte, hatte schon einmal an der Studie einer Hilfsorganisation in einem der Tuareg-Lager außerhalb von Timbuktu mitgearbeitet. Und er kannte einen Bella in seiner Nachbarschaft, der in einem dieser Orte geboren und aufgewachsen ist.
„ Bella“ - dieses Songhai-Wort für die Sklaven der Tuareg klingt weniger abwertend als „Iklan“, das Wort ihrer eigenen Sprache. Deshalb hat es sich im Norden Malis durchgesetzt.
Die meisten Einwohner Timbuktus sind Bellas, die sich aus der Knechtschaft befreit haben, oder Nachkommen von ihnen. Und seit Anfang der neunziger Jahre in Mali frei gewählt wird, ist auch der Bürgermeister von Timbuktu ein Bella.
Es war der Songhai-Lehrer von Bruce, der mir den Bella Aguissa Dico vorstellte. Aguissa wurde in Tillamedess geboren, zwanzig Kilometer südwestlich von Timbuktu. Aber er lebte seit fast dreißig Jahren in der Stadt.
Aguissa sagte, wir könnten zusammen zu seinem Geburtsort fahren und seinen Bruder besuchen. Das sei kein Problem. Er fahre selbst ein paar Mal im Jahr hin. Und wenn die Tuareg aus Tillamedess in die Stadt kämen, wohnten sie in seinem Haus.
Aguissa kannte sein eigenes Alter nicht genau. Wahrscheinlich war er Ende fünfzig. Und er sah sehr komisch aus.
Viele Völker der Sahara und der Sahelzone tragen einen Turban, mit dem sie auch ihren Mund verschleiern. Sie wickeln ein langes Tuch viele Male um den Kopf und auch um ihr Kinn.
Aguissa trug auch ein schwarzes Tuch. Aber er wickelte es nur ein paar Mal um den Kopf, so dass es nicht
Weitere Kostenlose Bücher