Afrika Quer (German Edition)
eben. Ein richtiges Land in der richtigen Welt hat eine richtige Polizei. Also muss Puntland, das ein richtiges Land werden will, auch eine haben. Auch wenn sie eine Lachnummer ist.
Meistens standen die vier Polizisten an der Hauptstraße auf einem Haufen, so als seien sie zusammen sicherer. Ihre Kopfbedeckung erinnerte mehr an moderne Kunst als an ein Barett. Die Kappen standen ihnen auf dem Kopf wie gefrorene Pfannkuchen. Es war klar, sie hatten noch nie gesehen, wie man ein Barett trägt. Ihre Uniformhosen hatten unterschiedliche Farben, und sie selbst hätten auch nicht unterschiedlicher sein können. Einer war fürchterlich dick, der andere wieder lang und schlank, einer noch wirklich jung und der nächste reif für die Rente. Am weißen Hemd trugen sie ein Schildchen mit einem Wappen und der Aufschrift „Polizei“, damit die Leute wussten, mit wem sie es zu tun haben.
Und die vier Polizisten waren freundlich. Sie kannten eine Menge Leute. Sie begrüßten viele Passanten mit Handschlag und ein paar verbindlichen Worten, aber plötzlich konnte einer von ihnen von einem Energieschub getrieben werden, dann pfiff er auf seiner Trillerpfeife und lief munter los. Keiner wusste genau wohin oder wieso. Vielleicht hatte er das so einmal in einem alten Stummfilm gesehen. Dann konnte es aber passieren, dass er mitten in der Bewegung wieder gefror, so als sei ihm unterwegs entfallen, was er eigentlich machen wollte. Dann kehrte er wieder reumütig in die Gruppe zurück.
Richtig aktiv wurden die Polizisten aber, wenn wieder einmal die Hauptstraße auf ihrer Höhe blockiert war. Es gab hier viele Geschäfte. Und die Fahrer hielten ganz gerne, um Besorgungen zu machen oder um auf ihre Beifahrer zu warten, die Besorgungen machten. Manchmal parkten sie sogar etwas am Rand. Die Straße war aber nicht sehr breit, und wenn ein zweiter auf der Gegenfahrbahn dasselbe machte, war sie blockiert. Dann bildeten sich lange Staus. Was den Parkern egal war. Nicht aber den Polizisten. Sie liefen hin, manchmal zu zweit, und wiesen die Fahrer freundlich auf ihren Verstoß hin. Die reagierten auch freundlich. Weiter fuhren sie aber nicht. Sie warteten ja noch auf ihre Beifahrer. Dann entwickelte sich ein zwangloses Gespräch. Der Tonfall blieb immer ruhig und freundlich. Die Polizisten wiesen mit den Armen. Die Fahrer lachten. Sie wollten zeigen, dass sie sich nicht durch die Bitten der Polizisten belästigt fühlten. Als nach ein paar Minuten ihre Beifahrer zurückkamen, fuhren sie weiter. Die Polizisten kehrten wieder, mit ihrem Erfolg sichtlich zufrieden, in ihre Gruppe zurück. Und der Verkehr auf der Hauptstraße rollte wieder.
Am Morgen meiner Abreise nach Garowe nahmen wir einen der vier Polizisten an der Hauptstraße in unserem Auto mit, um ihn zu interviewen. Er war ein Cousin Nuredins. „Bruder“ bedeutet in Afrika zumeist nicht leiblicher Bruder, sondern enger Verwandter; Cousin dementsprechend weitläufiger Verwandter. Der Cousin war sehr dick. Das weiße Hemd spannte mächtig über seinem großen, runden Bauch, als er es sich auf unserer Rückbank bequem machte. Schon vor dem Bürgerkrieg war er bei der Polizei in Mogadischu angestellt, erzählte er, und vor zwei Jahren wurde er wieder für den Dienst in Puntland reaktiviert.
Er warb um Verständnis für die Autofahrer in Bosasso. Die meisten, sagte er, haben zum ersten Mal im rechtlichen Vakuum nach dem Bürgerkrieg hinter einem Lenkrad gesessen. Sie hätten nie eine Führerscheinprüfung gemacht. Vor einem Monat habe zum ersten Mal seit langem ja erst wieder eine in Bosasso stattgefunden. Man könne die Vorschriften nun nicht sofort mit aller Härte durchsetzen.
Dass sich die Polizei an der Hauptstraße lächerlich macht, wollte er auf keinen Fall gelten lassen. Die Polizisten würden schon auch Fahrer verhaften und mitnehmen, sagte er mit einiger Entrüstung in der Stimme.
Nachdem wir ihn wieder an der Hauptstraße abgesetzt hatten, verteidigte Nuredin seinen Cousin. Wenn nötig nehme die Polizei schon Fahrer fest, sagt er bestimmt. Wenn der Verstoß schwer genug sei, um eine Schießerei zu riskieren... Die Sprösslinge reicher Eltern könne das allerdings nicht sonderlich beeindrucken, hatte Nuredin schon vorher erzählt. Wenn sie jemanden über den Haufen fahren, bezahlt der Papa eben eine Kompensation.
In Mogadischu, im Süden des Landes, ist das auch so. Kommt einer zu Schaden - sei es bei einem Streit oder bei einem Verkehrsunfall - setzen sich die Ältesten
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