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Afrika Quer (German Edition)

Afrika Quer (German Edition)

Titel: Afrika Quer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Boehm
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Emrakeb über die Frauen in Äthiopien, die ihr Gesicht mit einer Zeitung, einem Buch oder einer Tasche vor der Sonne schützten. Ich dachte, Meinungsverschiedenheiten gibt es immer und rief Emrakeb trotz des kühlen Abschiedes nach unserem letzten Treffen wieder an. Unter der Bedingung, dass ich nicht wieder „gehässig“ sei, sagte sie, würde sie sich mit mir treffen.
    Ich hatte mich schon vorher gefragt, warum viele Frauen in Addis Abeba ihr Gesicht vor der Sonne abschirmten und hatte welche, die es taten, gefragt. Eine sagte, sie tat es, um ihre Augen zu schützen. Dann sah ich Frauen mit Sonnenbrillen und der Zeitung vor dem Gesicht. Ich fragte wieder. Es war peinlich für die Frauen und für mich. Als Grund gaben sie alles Mögliche an, nur nicht, damit ihre Gesichtshaut blasser blieb.
    Deshalb fragte ich Emrakeb. Sie sagte, sie mache es selbst auch manchmal. Frau tue es, um den Kopf vor der Sonne zu schützen. Ansonsten bekommen sie im Hochland leicht Kopfschmerzen.
    Und warum taten es dann nur Frauen? Weil die empfindlicher sind, sagte Emrakeb.
    Ich schaute noch einmal ganz genau hin. Die Frauen hielten die Zeitungen nicht über den Kopf sondern vor das Gesicht. Und außer Emrakeb, merkte ich bald, schien das auch jeder zu wissen. Die Männer lachten darüber. Und wenn man die Frauen fragte, lachten sie verschämt und stritten ab, sie machten es wegen des blassen Teints.
    Und die Sekretärin des „Reporter“, genau vor Emrakebs Nase also, hieß mit Vornamen „Africa“. Ein schöner Name, sagte ich zu ihr, aber ungewöhnlich. Und ich fragte, wie sie ihn denn bekommen habe? „Na ja“, sagte die Sekretärin mit zu Boden gesenktem Blick, „ich habe eine etwas dunklere Hautfarbe als die anderen in meiner Familie.“
    Das erzählte ich Emrakeb. Und dass die Frauen nicht ihren Kopf, sondern ihr Gesicht vor der Sonne schützten. Und im Laufe der Diskussion auch, dass das in Addis Abeba eigentlich jeder wisse, nur sie nicht.
    Emrakeb stritt alles ab. „Das ist ja Rassismus!“, sagte sie entrüstet. Und die amharische Poesie sei voll von Lobpreisungen der schönen dunklen Hautfarbe der äthiopischen Frauen. Wieder mussten wir gleich gehen, fuhren wortlos vom Silver Bullett nach Hause und verabschiedeten uns kühl.
    Emrakeb konnte nicht verborgen geblieben sein, dass eine helle Hautfarbe bei den Hochland-Äthiopierinnen als Schönheitsideal gilt. Aber wenn ihr das ein Weißer sagte, war es Rassismus. Inzwischen verstand ich, dass es Bereiche bei Emrakeb gab, die man wie Minenfelder meiden musste, wollte man es nicht auf einen Streit mit ihr ankommen lassen.
    Aber ich war noch nie ein Anhänger von Leuten, die sich etwas vormachen. In den allerseltensten Fällen kann man seine Illusionen mit ins Grab nehmen. Und ich wollte über Emrakeb schreiben. Also rief ich sie an, als ich für die Durchquerung wieder in Äthiopien war.
    Emrakeb sagte, sie habe es das letzte Mal nicht persönlich aufgefasst – „es“: meinen Rassismus -, und erklärte sich wieder zu einem Treffen bereit.
    Bei meinen vorherigen Reisen nach Äthiopien habe ich immer Flöhe aufgelesen. Ich weiß nicht, ob sich diese Tierchen an Staatsgrenzen halten, aber es gab sie nur dort, aber nicht in anderen afrikanischen Ländern, und nach einer Fahrt in einem Minibus musste man auf jeden Fall damit rechnen, dass sie einen plagten.
    Deshalb fragte ich Herrn Tadesse, was man dagegen tun konnte. Er war entsetzt und sagte, in seiner Pension hätte ich sie ganz sicher nicht aufgelesen. Er achte auf strengste Sauberkeit. Und der Verkäufer in der Apotheke neben dem Nationaltheater wäre fast im Boden versunken, so peinlich war es ihm, dass ich ihn nach einem Mittel gegen diese Parasiten fragte.
    Und Emrakeb? Ich wusste, sie würde über die Frage nicht glücklich sein, aber inzwischen machte es mir schon Spaß, sie zu provozieren.
    Emrakeb sagte, sie habe noch nie im Leben einen Floh gehabt. Sie durchbohrte mich mit stechenden Augen. Ihre Stimme drückte völliges Unverständnis über meine Frage aus. Wieso hatte die eigentlich nur ich? Wirklich noch nie? „Noch nie.“
    Wie sich manche Dinge doch ändern und trotzdem gleich bleiben! Zum Anlass der Kaiserkrönung Haile Selassies vor mehr als siebzig Jahren hat eine britische Zeitung enthüllt, dass es Flöhe im kaiserlichen Lager gab. Die äthiopische Regierung fand das nicht witzig. Es gab einen kleinen Eklat, notierte Evelyn Waugh, der wie kein zweiter das groteske Resultat des Aufeinandertreffens von

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