Afrika Quer (German Edition)
Wohnen zur Verfügung stellte, konnte man sich als Wohltäter fühlen. Dass Schwarze bei Weißen als Diener arbeiten, habe ich, bevor ich nach Nairobi zog, für frivol gehalten. Für mich war das ein Relikt aus der Kolonialzeit, das nicht mehr vorkommen durfte, aber nun musste ich feststellen, dass es einfach weitergelebt hat.
Für die billigen Handlanger war es jedoch ein Glück, bei einer weißen Familie zu arbeiten. Die zahlte besser und regelmäßig, und Weiße galten auch als diejenigen, die weniger prügelten. Ich kannte keine weiße Familie in Nairobi, die nicht Wachmänner, Diener, Küchenhilfen, Kindermädchen, Gärtner, Fahrer oder Laufburschen beschäftigte. Meistens mehrere auf einmal.
Ich hatte einen: Meshak, Putzmann und Laufbursche in einem. Er war bei dem ersten Appartementblock angestellt, in dem ich wohnte. Das Saubermachen der Wohnung war dort im Mietpreis inbegriffen. Als ich umzog, stellte ich ihn auf Teilzeitbasis an. Er kam während seiner Mittagspause, um zu waschen, sauberzumachen und zu spülen. Und auf dem Nachhauseweg nahm er den Scheck für die Telefon- oder die Stromrechnung mit in die Stadt.
Er war froh über dieses Arrangement. Sein Lohn bei dem Appartementblock allein hätte zum Leben nicht ausgereicht. Und für mich wäre es ökonomischer Irrsinn gewesen, die Arbeiten selbst zu erledigen, wenn es jemand so billig machte.
Meshak war so alt wie ich, aber er nannte mich immer „Mister Peter“. Mir war das peinlich. Ich mochte ihn. Durch seine Augen sah ich ein bisschen vom alltäglichen Nairobi, von dem mein Leben soweit entfernt war. Oft war er meine Quelle für den „normalen Kenianer“ oder für ein Kisuaheli-Wort, das ich nicht kannte.
Ich wollte immer zu ihm sagen: „Meshak, du brauchst mich nicht ,Mister’ zu nennen.“ Ich habe es nie getan, weil es mir peinlich war, mit ihm darüber zu reden.
Aber nach einer Weile war ich auf einmal froh, dass ich es nicht getan habe. Dabei hatte ich Glück mit Meshak. Im Vergleich war er sehr zuverlässig. Nur manchmal kam er nicht, ohne Bescheid zu sagen, oder brauchte einen Vorschuss auf seinen Lohn, der über die Monate immer größer zu werden drohte. Dass er mir ohne mein autoritäres Auftreten auf der Nase herumgetanzt wäre, war eine der bitteren Einsichten für mich in meiner Zeit in Afrika.
Es gab andere Arrangements, andere Symbiosen von Herr und Knecht. Den europäischen Rollstuhlfahrer zum Beispiel und sein Dienstmädchen. Von dem Arrangement erfuhr ich, weil ich der Nachfolger in seinem Haus - und wer weiß, was sonst noch - werden sollte. Er ging zurück in sein Heimatland. Ich suchte etwas Neues und überlegte, ob ich das freigewordene Haus mieten sollte. Ein Journalistenkollege kannte ihn und führte mich auf dem Grundstück herum. Er war es auch, der mir von dem Arrangement mit dem Dienstmädchen erzählte. Sie war jung und hübsch und lachte uns verstohlen zu, als wir uns die Küche anschauten. Der Hausherr hätte gerne gesehen, dass ich sie nach meinem Einzug weiter beschäftige. „Aber sie wird für das Saubermachen bezahlt“, sagte mein Kollege und lachte sarkastisch.
Und da waren die anderen, die die finanzielle Lage ihrer Dienstboten – den ganz normalen Endzustand! - als permanenten Appell an ihre Wohltätigkeit verstanden. Die zusammen mit ihnen Sparpläne aufstellten, um Dämme in ihren Dörfern zu bauen, und ihnen Krankenhausrechnungen für ein krankes Kind bezahlten, um sich dann darüber zu wundern, dass sie nicht würden bezahlen können oder gar bezahlen wollen.
Ich bin sicher: Bevor sie nach Afrika gingen, hat keiner von ihnen geahnt, welche Erwartungen auf sie zukommen, auf was sie sich einlassen würden. Sie waren einfach nur ihres Berufs wegen hingezogen, so wie man nach Leipzig zieht oder nach Brüssel. Auf die Verwandlungen, die Afrika von ihnen verlangen würde, hatte sie niemand vorbereitet.
Aber so schlau ist man ja nur in der distanzierten Rückschau. Wenn man drinsteckt, gehen einem ganz andere Dinge durch den Kopf. Und unsere Fahrt zum Langanosee hatte am Anfang ja eben genau nicht nach dem afrikanischen Arrangement ausgesehen. Wir waren vier Europäer im Auto. In einem Vorort von Addis Abeba kauften wir noch Limonade und Kekse für das Frühstück und Streichhölzer für ein Feuer. Das alles hatte ich im europäischen Sommer schon dutzende Male gemacht. Wir waren auf dem Weg zu einem längeren Picknick, zu einer Fete im Freien. Aber dann hat mich Afrika wieder eingeholt.
Den
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