Afrika Quer (German Edition)
afrikanischer Tradition und westlichem Fortschrittsglauben festgehalten hat. Die kaiserliche Regierung protestierte bei den europäischen Botschaften. Gerüchte kursierten, dass alle ausländischen Journalisten innerhalb von vierundzwanzig Stunden das Land verlassen müssten.
Ich muss Emrakeb dankbar sein. Durch sie habe ich ihr Land besser verstanden. Sie hat mir klar gemacht, dass ich nie Äthiopier werden kann.
Fleisch und Blut (Addis Abeba)
Wenn ich an Äthiopien denke, denke ich vor allem an einen Geruch. Alles riecht dort danach: die Restaurants, die Wohnungen, die Kleider, das Geld und auch die Leute.
Der Geruch, den ich meine, ist der von Metten Berbere, der scharfen Gewürzmischung aus viel Chili, Ingwer und anderen Zutaten. Neben dem Fladenbrot aus Teff-Getreide ist diese Mischung auch die wichtigste Zutat für das Essen von rohem Fleisch, über das ich bei meinen vorherigen Reisen nach Äthiopien schon soviel gehört hatte. Deshalb bin ich bei der Durchquerung mit einigen Freunden in das urige Addis Abeba-Restaurant an der Straße nach Entoto gegangen. Dort sollte man noch unverfälschtes traditionelles Essen bekommen.
Das Restaurant war achteckig und sah von außen aus wie eine orthodoxe äthiopische Kirche. An den Decken hingen silberne Weihrauchbrenner und an den Wänden geschmiedete Schilde und Lanzen. Die Gäste saßen an Tischen und Stühlen aus geflochtenem Ried und tranken Phiolen mit knallig orangefarbenem Tedj.
Das rohe Rindfleisch, das wir bekamen, war jedoch schon alt und zäh. Die drei Stücke auf meinem Teller hätte man bestimmt genauso in der Theke jedes deutschen Metzgers finden können.
Man schnitt davon kleine Stücke ab, nahm sich ein Stück leicht säuerlich schmeckendes Fladenbrot und tunkte alles in die Berbere-Soße. Das war’s.
Ich war enttäuscht. Das war jedoch kein Wunder. Denn bis vor gar nicht langer Zeit aß man in Äthiopien rohes Fleisch noch ganz anders.
So beschreibt James Bruce ein Gebbur - ein Festessen von rohem Fleisch - in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Der schottische Landedelmann verbrachte auf der Suche nach den Quellen des Blauen Nil fünf Jahre in Abessinien.
„ Mitten im Zimmer wird ein langer Tisch, mit Bänken an den Seiten, für die eingeladenen Gäste aufgestellt. Dann wird eine Kuh oder ein Ochse oder auch mehrere, je nachdem, wie zahlreich die Gesellschaft ist, dicht an die Tür gebracht, und die Füße werden fest zusammengebunden. Die hartherzigen Menschen haben weder einen Stein noch eine Bank oder einen Altar, worauf sie den Kopf des Tieres bei dieser Operation legen. Ich möchte um Verzeihung bitten, dass ich sie so nenne, doch sie haben nicht einmal soviel Mitleid, das arme Tier zu töten. Vielmehr suchen sie es so lange am Leben zu erhalten, bis es ganz aufgefressen ist.
Dann fallen einige über den Rücken des Tieres her und schneiden auf jeder Seite des Rückgrates die Haut auf, so dick sie auch sein mag. Dann stecken sie die Finger zwischen Haut und Fleisch und fangen an, die Haut bis auf die halben Rippen herunter abzuziehen, immer weiter bis hinten an die Lenden. Wo sich die Haut nicht gut abziehen lässt, schneiden sie diese herunter, bis das arme Tier völlig geschunden ist. Dann wird alles Fleisch in derben Stücken von den Lenden geschnitten, ohne Knochen und mit viel Blutverlust.
Das entsetzliche Gebrüll des Tieres ist das Zeichen für die Gesellschaft sich niederzusetzen. Zwei oder drei Diener tragen dann jeder ein viereckiges Stück Rindfleisch mit bloßen Händen herbei und legen es auf die Teffkuchen, die wie Teller längs des Tisches liegen, ohne das ein Tuch oder sonst was darunter läge.
Die Gesellschaft wird so geordnet, dass ein Mann immer zwischen zwei Weibern sitzt. Der Mann schneidet mit seinem langen Messer ein dünnes Stück ab, welches sich in England gut zu den sogenannten Beefsteaks eignen würde. Man sieht noch deutlich die Bewegung der Fasern wie in lebendigem Fleisch. Kein Mann in Abessinien, der etwas darstellen will, isst selbst oder rührt sein eigenes Essen an. Die Weiber nehmen das von ihm abgeschnittene Stück, schneiden es in Streifen von etwa der Länge eines kleinen Fingers und dann wieder quer in viereckige, würfelgroße Stückchen. Dieses legen sie auf ein Stück Teffbrot, welches stark mit schwarzem oder Chayenne-Pfeffer und mit Steinsalz bestreut ist, und wickeln es in diese wie in eine Rolle ein. Der Mann hat inzwischen das Messer wieder an seinen Platz gesteckt. Er lehnt sich
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