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Afrika Quer (German Edition)

Afrika Quer (German Edition)

Titel: Afrika Quer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Boehm
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Impuls, wenn die Sonne scheint, – und das tut sie täglich - hinaus in die Natur zu stürmen, muss man sich als Europäer in Afrika schnell abgewöhnen. Das ist eine der ersten Lektionen, die der Kontinent für einen bereithält. Auch wenn sie schön anzuschauen ist, bleibt die Natur immer gefährlich, immer feindlich. Man muss sich vor ihr in acht nehmen, muss Vorbereitungen treffen. Es gibt viele Insekten, Krankheiten, möglicherweise sogar wilde Tiere oder Durchwurstler, die Waffen haben; dafür keine Straßen, keine Infrastruktur und keine richtige Polizei.
    Dabei hatten wir noch Glück mit dem Langanosee. Er liegt im ostafrikanischen Grabenbruch, auf einer Teerstraße nur drei Stunden südlich von Addis Abeba. In seinem Wasser sind besondere Mineralien gelöst, so dass es ausnahmsweise darin wie in sonst allen afrikanischen stehenden Gewässern keine Bilharziose-Erreger gibt. Man kann also ohne Risiko darin schwimmen, aber ein See zum Baden wird daraus trotzdem nie.
    Die Frauen aus den umliegenden Dörfern gehen täglich hin, um in dem seifigen Wasser Kleider zu waschen und um ihre Esel mit Trinkwasser zu beladen. Und die Hirten, um ihre Kühe und Ziegen zu tränken. Das gesamte Ufer ist mit Kuh- und Ziegendung übersät. Die seichten Stellen nahe dem Ufer sind wegen der Düngung mit Algen bewachsen. Und weil wir nicht allein an dem See waren, nicht alleine sein konnten, weil wir eingedrungen waren in seinen täglichen Kreislauf, mussten wir Wachen aufstellen und unser Lager gegen seine täglichen Nutzer schützen.
    Das ist meistens die nächste Überraschung, die Afrika für den Neuling bereithält. Aus einst ein bisschen ängstlichen, bequemen Stadtmenschen können hier in kurzer Zeit hingebungsvolle Naturmenschen werden. Obwohl es gereicht hätte, wenn jeder sein Zelt, etwas zu Essen und zu Trinken mitgebracht hätte – wir wollten hier eine Nacht bleiben! -, hatte Antonio Ausrüstung für ein zweiwöchiges Buschcamp organisiert: Einen Unimog mit Stromgenerator, eine Hifi-Anlage, Lichterketten, Planen, Decken, fünf Zelte, vier Schafe, Küchengeräte, Töpfe, Pfannen und viele Hände, um alles zu benutzen. Und das alles für insgesamt zehn Expatriates, die bekocht und bewirtet werden mussten.
    Antonio hatte zwei Jahre lang ein Hilfsprojekt in einer kleinen Stadt südlich von Addis Abeba geleitet. Seine Mitarbeiter von dort, Fahrer, Wächter, Putzfrauen, Sekretärinnen machten alle Arbeiten, bewachten das Camp, bereiteten das Essen vor, und wir, die Weißen, seine Gäste, taten, was von uns erwartet wurde. Wir amüsierten uns. Auf jeden Fall so gut es die Situation zuließ.
    Ich jedoch registrierte mit wachsendem Schrecken die Umgebung und das Lager, in dem ich nun für eine Weile feststecken würde. Und die landschaftliche Schönheit des Sees, die ihn einrahmenden Arsi-Berge, die grüne Savanne mit den knorrigen Schirmakazien, das stille Wasser, die Wachen und die blöde rote Lederdecke, auf der wir lagen und bedient wurden, blieben in meinem Kopf nur als höhnischer Kommentar haften zu dem ganzen misslungenen Fest.
    Die Vorbereitungen für das abendliche Essen lockten eine Menge Hungrige an. Die zwei ersten Schafe waren geschlachtet, und die Frauen dabei, das rohe Fleisch durch einen Fleischwolf zu drehen. Die Kinder, die mit ihren Müttern zum Waschen gekommen waren, legten ihre Lumpen wieder an und lugten neugierig zu uns herüber. Für heute blieben sie auf Distanz, aber am nächsten Tag wurden sie mutiger.
    Doch für diesen Fall hatten wir ja die Wachen. Ein Junge, vielleicht acht Jahre alt, schrie plötzlich wie am Spieß. Die ersten Köpfe drehten sich zu ihm, und einer auf der Lederdecke sagte, ein Wachmann habe den Jungen geschlagen.
    Obwohl ihn niemand berührt hatte, imitierte er sehr treffend die Leidensschreie einer geplagten Kreatur. Aber weil der Junge jetzt in unsere Richtung schaute und weinte, er also genau das machte, woran die Wache ihn hatte hindern sollen, nämlich unsere Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, uns zu belästigen, wurde er nun verdroschen. Antonio musste einschreiten und die Wache zurückpfeifen. Aber der Plan des Jungen ging auch nicht auf. Vom Essen bekam er nichts.
    Inzwischen schlossen alle möglichen anderen hungrigen Kreaturen einen immer enger werden Kreis um unser Abendessen. Räudige Köter hatten den Braten gerochen, und Bussarde kreisten in der Luft. Die Hunde ließen sich durch Steinwürfe in ihre Nähe nicht vertreiben. Einer entdeckte einen heruntergefallenen

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