Afrika Quer (German Edition)
hat der Mahdi die schwerste Niederlage seiner Kolonialgeschichte beigebracht.
Großbritannien war damals de facto Mandatsmacht in Ägypten. Und dieses Land wiederum war es, das den Sudan Anfang des 19. Jahrhunderts annektiert und verwaltet, also kolonisiert hat. 1881 erklärte sich Mohammed Ahmed zum Mahdi, dem nach der Sufi-Tradition der Region lang erwarteten Nachfolger des Propheten. Er scharte Anhänger in Massen um sich und begann, den ägyptischen Truppen eine Niederlage nach der anderen beizubringen.
Im Februar 1884 schickte die britische Regierung den ehemaligen Gouverneur des Sudan General Charles Gordon nach Karthum, um die Evakuierung der Stadt zu organisieren. Bald darauf wurde Karthum jedoch von den Truppen des Mahdi eingeschlossen, und Gordon telegrafierte um militärische Verstärkung. Die liberale Gladstone-Regierung wollte jedoch nicht in den Krieg gegen den Mahdi verwickelt werden und nahm Gordons Hilferufe nicht ernst. Nach siebenmonatiger Besatzung fiel Karthum. Gordon wurde getötet, und sein abgeschlagener Kopf dem Mahdi auf einem Tablett präsentiert.
Erst mehr als zehn Jahre später begann das Britische Empire mit der Rückeroberung des Sudan, und es ging dabei keinerlei Risiko ein. Zuerst ließ es von der ägyptischen Grenze eine Eisenbahn nach Süden bauen und schickte schließlich ein Expeditionsheer von 23.000 Mann. Im September 1898 fiel Karthum wieder an britisch-ägyptische Truppen. Das Grab des inzwischen gestorbenen Mahdi wurde gesprengt, und die Überreste des selbsterklärten Propheten in den Nil geworfen.
Die Demütigung durch den Mahdi hat das Britische Empire dadurch vielleicht vergolten, aber die Folgen der Mahdiya waren damit nicht beseitigt. Im Reisebericht des deutschen Zoologen Alfred Brehm von 1850 - im übrigen eine wichtige Quelle für Karl Mays Trilogie - hatte der Sudan wie viele andere Länder in Afrika noch eine ausgeprägte Hirsebier-Kultur. Nach der Mahdyia und dem Khalifat unter dem Nachfolger des Mahdi, war der Nordsudan ein islamisches Land geworden.
Karl May schrieb seine Sudan-Trilogie nach dem spektakulären Fall Karthums an die Truppen des Mahdi, als die Zeitungen in Europa voll waren mit den Gräueltaten der Derwische. Aber er verlegte die Handlung in die Zeit der ägyptischen Herrschaft vor.
Sein Alter Ego Kara Ben Nemsi hilft darin einem vom ägyptischen Vizekönig beauftragten Offizier, einen Sklavenhändlerring auszuheben.
Mays Romanhandlung hat auch hier einen realen Hintergrund. Großbritannien hat tatsächlich Ägypten gedrängt, etwas gegen den Sklavenhandel im Sudan zu unternehmen, und der Generalgouverneur Charles Gordon (1877 – 79) ließ 700 Sklavenhändler festnehmen.
Allerdings vertritt der spätere Mahdi in Karl Mays Romanhandlung nicht nur die Interessen der Menschenhändler, sondern er beteiligt sich sogar selbst aktiv an dem Geschäft. Auf dem Buchdeckel des zweiten, nach ihm benannten Bandes sieht man einen beturbanten, aus khol-geränderten Augen finster dreinblickenden Gesellen, und der darin beschriebene, zu dem Zeitpunkt nur lokal bekannte heilige Mann ist ein Bösewicht, wie er im Buche steht.
Der ägyptische Offizier lässt den Mahdi auspeitschen, aber Kara Ben Nemsi hat Mitleid mit ihm und gibt dem im Busch Zurückgelassenen Wasser und etwas zu Essen, um ihn vor dem sicheren Tod zu retten. Denn Christen sind ja die besseren Menschen, und das hatte Kara Ben Nemsi dem Mahdi bei einer religiösen Diskussion ein paar Stunden zuvor ja auch schon intellektuell hochüberlegen nachgewiesen.
In dem Jahrzehnt vor der Jahrhundertwende war Karl May einer der meistgelesenen deutschen Schriftsteller. Aber er war nicht der klassische Exponent des gerade erwachenden wilhelminischen Imperialismus. Dafür kam ihm seine aufdringlich vorgetragene pan-christliche Idee von der allumfassenden Nächstenliebe zu oft dazwischen, und die notwendige Ideologie der Zeit von der Minderwertigkeit der kolonialen Subjekte konnte er auch nur ungenügend ausfüllen.
Vor allem im dritten Band, in dem Kara Ben Nemsi in den Süd-Sudan fährt, ist Karl Mays Bild der Afrikaner schon äußerst modern und von unserem heutigen kaum zu unterscheiden. Die zentrale Szene des dritten Bandes ist ein in drastisch-anklagenden Worten geschilderter Überfall der Sklavenjäger auf ein Eingeborenendorf, den Kara Ben Nemsi gefesselt und deshalb hilflos mit anschauen muss.
Die Süd-Sudanesen werden in dem Band überhaupt als Opfer skrupelloser Araber gezeichnet, als arglos
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