Afrika Quer (German Edition)
habe die Nacht kaum geschlafen. Ich bin so müde und niedergeschlagen, dass ich es aufgegeben habe, die Fliegen von meinem Gesicht zu verscheuchen.
Nach einer Stunde kommt der Fahrer, fordert uns auf einzusteigen und meint vorwurfsvoll: „Wieso braucht ihr denn solange!“ - so als ob wir es fürchterlich eilig hätten.
Unmittelbar am Dorfausgang bekommt das Auto wieder seine Zuckungen. Der Fahrer sagt, er habe in der Stadt nicht das nötige Ersatzteil bekommen. Wieder geht er deshalb zur Motorhaube, und nun sehe ich zum erstenmal, was er da vorne macht. Er fingert am Vergaser herum und pumpt Sprit hinein! Wupp, Wupp, Wupp. Dann fahren wir wieder, bis der Sprit verbraucht ist. Dann pumpt er wieder. Wupp, Wupp, Wupp. Noch nach dem zehnten Mal erhebt er sich widerwillig aus seinem Sitz und läuft kopfschüttelnd zur Motorhaube. Immer noch wirkt er erstaunt, dass das Auto schon wieder stottert.
Gute zwanzig Stopps später halten wir an einem Brunnen im Busch. Es ist inzwischen Mittag geworden und so heiß, dass mir die Sonne kalte Schauer über den Rücken jagt und selbst durch meinen Hut bald mein Gehirn weich kochen wird, wenn ich nicht bald Schatten finde.
Der Fahrer hat sich mit einem Lkw-Fahrer beraten und ein Ersatzteil ausgewechselt. Ein Passagier sagt aufmunternd: „So ist Afrika.“ Und, nachdem ich das sarkastisch kommentiert habe, vorwurfsvoll zu mir: „Wenn Sie es so eilig haben, dann müssen Sie eben in ein anderes Auto umsteigen.“
Eilig? Ha! Ich weiß nicht mehr genau, was ich während der zweistündigen Pause noch gemacht habe.
Wir fahren wieder. Der Fahrer hat vergessen zu erwähnen, dass er nichts repariert hat. Zwei Minuten nachdem wir eingestiegen sind, fängt das Auto wieder an zu stottern.
So ist Afrika! Sobald man ein bisschen Hoffnung geschöpft hat, wird sie sofort wieder restlos zerstört. Deshalb weiß jeder, dass es am besten ist, sich keine Hoffnung zu machen. Dann kann sie auch nicht zerstört werden. Und man erspart sich eine Menge Enttäuschungen. So ist Afrika! Das versteht jeder, nur ich nicht.
Der Mann neben mir auf dem Beifahrersitz schaltet zum ersten Mal auf der Fahrt den Kassettenrekorder ein. Die Leute auf der Rückbank schnattern gutgelaunt.
So ist Afrika! Die Passagiere jedenfalls nehmen es locker. Sie haben kein Problem damit, dass wir pumpen-fahren-wieder halten-pumpen-fahren- wieder halten. Das hat die Leute geprägt. Sich über den Fahrer zu beschweren, würde ihnen nicht einfallen.
Die Stunden wurden länger, die Hitze heißer, die Wüste wüster. Zeit und Raum verschwammen. Ich war schon lange an der Aufgabe gescheitert, zu schätzen, wie viele Stopps wir machten.
Ich weiß auch nicht mehr genau, wo wir ungefähr waren. Irgendwo zwischen Ati und Ngoura wahrscheinlich. Es wurde Abend, und zum ersten Mal an diesem Tag sahen wir wieder Leute auf der Straße - die Frauen auf Eseln, die Männer auf Pferden. Sie ritten aus ihren Dörfern in den Busch. Die Frauen hatten ihr Hemd herabgelassen, wie um ihren Brüsten die kühle Abendluft zu gönnen. Einige hatten säugende Kinder daran gelegt.
Für die Gruppen wirkte der Ausritt wie ein exklusives Vergnügen. Sie schnatterten und scherzten miteinander, und so wie andere Leute im Stadtwald spazieren gehen, lüfteten sie abends einfach ihre Brüste und säugten dabei ihre Kinder.
Ich weiß nicht, von welcher ethnischen Gruppe sie waren. Die Männer trugen Holzspeere mit langen Eisenspitzen in den Händen. Sie müssen einige der letzten Leute in Afrika sein, die noch nicht auf die Kalaschnikow umgestellt haben.
Es dürfte in Ngoura gewesen sein, als bei einer Pause ein Auto neben uns hielt. Weil ich vom Pump-and-go die Nase voll hatte, überredete ich dessen Fahrer mich mitzunehmen. Mit seinem kleinen, klapprigen Laster brachte er leere Bierkästen, einige Passagiere und ihr Gepäck nach N’Djamena.
Kurz darauf balancierte ich auf ein paar Getreidesäcken zwei Meter über der Ladefläche. Aber der Pump-and-Go-Fahrer wollte mein Gepäck nicht vom Dachträger nehmen.
„ So? Du fährst mit einem anderen Auto?“, fragte er schnippisch. Er hatte tatsächlich so etwas wie eine Berufsehre! Und die hatte ich verletzt.
Nach einer Weile überholte er uns, blickte demonstrativ zur Seite und ließ uns seinen aufgewirbelten Staub essen. Dann blieb er wieder stehen, um zu pumpen – Wupp, Wupp, Wupp - und wir überholten ihn wieder.
Dann überholte er uns wieder, um am Straßenrand zu pumpen - Wupp, Wupp, Wupp. Und so
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