Afrika Quer (German Edition)
riss ich die Tür und die Fenster weit auf, ließ etwas frische Luft herein und hatte nur noch sporadisch Hustenanfälle.
Im Krankenhaus hatte ich Bedenken, als mich der Arzt mit der Malaria gleich wieder wegschickte, anstatt mich stationär aufzunehmen. In Afrika ist Malaria eben etwas alltägliches. Deshalb lässt sich niemand graue Haare wachsen.
Außerdem hatte er mir doch Chinin mitgegeben. Nur, genau deshalb machte ich mir ja schon die nächsten Sorgen. In Europa wurde Malaria damit vor langer Zeit kuriert. Dafür gibt es schon lange ganz andere Medikamente. Aber ich vertraute dem Arzt. Was blieb mir anderes übrig? Auf der Packungsbeilage meines neuzeitlichen Malaria-Medikamentes, das ich für Notfälle in meiner Reiseapotheke hatte, las ich, dass „bis etwa vier Wochen nach der Einnahme übermäßige Sonneneinstrahlung vermieden werden sollte.“ Sehr witzig!
So wurde ich nun selbst zum Objekt der weißen Wohltätigkeit. Meine Tabletten aus der Krankenhausapotheke in Abesche kosteten insgesamt einen Euro und steckten in einem Tütchen mit der Aufschrift „Mission Pharma“ und einem christlichen Kreuz darauf.
Damit richtete ich mich in meinem Hotelzimmer ein. Hier, unter dem rostigen, nicht funktionierenden Ventilator – Strom hätte es ohnehin nur sehr selten gegeben – mit zwei Bettgestellen und den metallicgrün gestrichenen Wänden, sollte ich die nächsten fünf Tage verbringen. Ich hatte keine Bücher, keine Zeitungen, nur mein kleines Transistorradio. Meistens dämmerte ich vor mich hin oder lief hinter das Haus, um in der mit Lehmmauern umgebenen Latrine eine kühlende Dusche zu nehmen.
Natürlich hatte ich mir meine Zeit im Tschad ein bisschen anders vorgestellt. Der Tschad ist eines der abgelegensten Länder Afrikas. Der Norden liegt schon gänzlich in der Sahara. Ende der siebziger Jahre und während der gesamten achtziger Jahre war in dem Land Bürgerkrieg mit unübersichtlichen Fronten und Kriegsparteien, so dass auch mehrmals Libyen und Frankreich darin verwickelt wurden.
Viel hatte ich mir also nicht erwarten dürfen, aber auf einen Abstecher in den Tibesti habe ich mich gefreut. Das Gebirge liegt mitten in der Sahara, und seine Gipfel reichen bis auf über 3.000 Meter. Nur inzwischen war klar, dass es wegen des wiederaufgeflammten Bürgerkrieges im Norden des Landes unmöglich war, dort hinzufahren.
Eigentlich hatte die Fahrt in den Tibesti einer der Höhepunkte der Durchquerung werden sollen. Mitte der neunziger Jahre habe ich den Dokumentarfilm eines belgischen Filmemachers gesehen, der eine Reise von Südafrika nach Ägypten machte. Um in den Tibesti zu fahren, musste er unheimliche Strapazen auf sich nehmen. Aber er hielt durch, denn er hatte im Vorjahr an einem französischen Spielfilm mitgearbeitet, der in dieser abgelegenen Region gedreht wurde.
Es war ein aufwendiges Projekt mit bekannten französischen Stars. Cathérine Deneuve oder Isabelle Huppert müssen dabei gewesen sein, und der Spielfilm war bestimmt das Beste, das dem Tibesti, ja wahrscheinlich gar dem gesamten Tschad je passiert ist. Der Filmemacher wollte unbedingt die einheimischen Statisten wiedersehen, mit denen er sich damals angefreundet hat.
Ich erinnere mich, dass er sich freute wie ein Schneekönig, als er endlich in dem Dorf ankam, aber seine Bekannten dort zeigten keinerlei Reaktion. Die Aufregung, die er empfand, ging klar über ihren Horizont hinaus. Sie standen auf ihre Zäune gestützt, wie sie es tagaus tagein auch taten und beantworteten gelangweilt seine Fragen, wie es ihnen inzwischen ergangen war. Dass er sie besuchte, war für sie so normal wie der Wind oder der darauffolgende Regen. Aber in Aufregung geraten mussten sie deshalb nicht.
Deshalb hatte ich mich auf den Tibesti gefreut. Er schien nichts zu versprechen als Ruhe, absolute Abgeschiedenheit und hintere Hinterwäldler. Ich sah mich über karge, zerklüftete Bergrücken streifen, von wo ich meinen Blick über menschenvergessene Täler schweifen ließ. Morgens würde ich nur aus dem Grund aufstehen, um dem Geräusch des Windes zuzuhören oder der himmlischen Stille. Wochenlang wäre ich unerreichbar für E-mail und Telefon. Selbst Briefe kamen nicht zu mir durch. Ich war verschollen. Und auch die Dörfler würden mich ignorieren. Ich interessierte sie nicht. Irgendwann würde sich keiner mehr erinnern, wo ich hergekommen war oder wann. Mit der Zeit würde ich vergessen. Ich war nicht mehr von dieser Welt.
Aber jetzt steckte ich in
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