Afrika Quer (German Edition)
der Kühlerhaube durch die ärmlichen Straßen zur neuen Moschee von Dutse glitt, blieben die Leute in den Straßen stehen und jubelten ihm zu wie einem Popstar.
Mit einem langen, vergoldeten Stab in der Hand besichtigte der Emir die Baustelle. Das Gotteshaus war aus Beton, hatte eine riesige Kuppel, und die Handwerker waren gerade dabei große Stuckornamente an die Wände zu kleben.
Der Emir ist der religiöse Führer der Gläubigen in seinem Emirat. Schon sein Vater hat mit dem Sammeln von privaten Spenden für den Bau dieser Moschee begonnen.
In vielen Städten im Norden Nigerias werden zur Zeit solch wuchtige Moscheen für das Freitagsgebet gebaut. Und natürlich hat sich der Emir für die Einführung des islamischen Strafrechtes in Jigawa stark gemacht. „Es kann keinen Muslim geben, der nicht unter dem Gesetz Gottes leben will“, sagte er mir.
Nach diesen morgendlichen Besuchen fuhr der Konvoi zum Palast des Herrschers auf dem Hügel über der Stadt. Als erstes nahm der Emir in seinem Arbeitszimmer den morgendlichen Bericht seines ersten Ministers entgegen. Der rutschte auf den Knien bis vor den Schreibtisch des Emirs und kauerte weiter vor ihm während seines Referats.
Der Emir stellte mich vor. Er sprach in Hausa. Ich konnte also nicht verstehen, was er sagte, aber mir erschien seine Erklärung sehr lang, zu lang. Er schien sich zu rechtfertigen, dass er einen weißen Journalisten mitgebracht hat. Ja, er schien den Minister geradezu zu beschwören, wie bei einem alten Ehepaar, das sich vertragen muss: Blamier mich nicht. Du kannst beim nächsten Mal wieder deinen Willen haben.
Des Rätsels Lösung war, dass der Minister, der vor dem Emir auf den Knien rutschte, sein älterer Bruder war. Nicht er, sondern der jüngere war nach dem Tod ihres Vaters dessen Nachfolger geworden. Dass der jüngere den älteren zu seinem Minister machte, war das mindeste.
Der Emir sagte später: „Wir haben Königsmacher. Bevor ich zum Emir ernannt wurde, gab es schon einige Spannungen zwischen mir und meinem Bruder. Aber nachdem die Entscheidung getroffen war, musste er sich unterwerfen.“
Auf dem Programm des Emirs stand an diesem Tag die feierliche Ernennung sieben neuer Dorfchefs. Schon als wir angekommen waren, hatten sie mit ihren Anhängern im Vorhof des Palastes gewartet. Alle erbten die Ämter von einem älteren Verwandten, und obwohl ihre Dörfer inzwischen mehrere tausend Einwohner hatten, trugen sie noch immer ihren Namen und den jener Vorfahren, die sie ursprünglich gegründet hatten.
Natürlich blieben die Dorfchefs bei ihrem altem Beruf, sie blieben Bauern, aber nun bekamen sie durch ihr Amt ein zusätzliches Einkommen, wie eine Rente. Deshalb konnte man sie jetzt noch im Hof verhandeln und Geld an ihre Anhänger verteilen sehen, die sie bei ihrer Ernennung gegen die Rivalen in ihrer eigenen Sippe unterstützt hatten.
Dann wurden die neuen Dorfchefs nacheinander in einen nackten Kellerraum des Palastes geführt, und bekamen dort von einem niederen Chargen als Symbol ihres Amtes einen grünen Turban aufgesetzt. Ihre Anhänger gerieten dabei so außer Rand und Band, sprangen so wild herum, dass die Palastwachen sie mit Lederpeitschen zur Räson bringen mussten.
Bevor die Dorfchefs jedoch vor dem Emir ihren Amtseid ablegen konnten, kündigte sich auf einmal eine Delegation von Politikern und Wissenschaftlern an, die dem Emir seine Aufwartung machen wollte. Sie brachte ihm die Nachricht, dass die Bundesregierung in Abuja nun Mittel bewilligt hat, um das landwirtschaftliche Institut zur Erforschung des Dattelanbaus in Dutse wiederzubeleben. Deshalb zog der gesamte Hofstaat erst einmal in den größeren Thronsaal um.
Hier war der Emir sofort in seinem Element. Er konnte über ein landwirtschaftliches Thema referieren, eine Kamera für das lokale Fernsehen surrte, und er hatte ein aufmerksames, dankbares Publikum vor sich. Mit einem Mal war mir klar, wieso er und nicht sein älterer Bruder Emir geworden ist. Selbst ein traditioneller Herrscher kann es sich heutzutage nicht mehr erlauben, sich nicht in der Öffentlichkeit präsentieren zu können.
Im Vergleich zum Emir erschien sein Bruder plump und linkisch. Als ich bei ihm im Dienstzimmer gesessen hatte, war ich es, der versuchen musste, die Pausen peinlicher Stille zu füllen. Aber als der Emir nun das Wort ergriff, merkte man, dass er sich vor Publikum wohlfühlte. Er hatte an der Stirnseite des großen Raumes auf einem Thron aus Kissen Platz genommen.
Weitere Kostenlose Bücher