Afrika Quer (German Edition)
zu staunen. So zu denken, überstieg meine Erfahrung.
Das war der Grund, warum ich nach Dutse kam. Ich wollte mir gelebte Tradition in der Praxis anschauen.
Als ich in Dutse aus unserem Peugeot stieg, guckten mich die Passagiere, die nach Kano, gute 100 Kilometer weiter westlich, fuhren, komisch an. Denn in Dutse gibt es nichts, wofür es sich auszusteigen lohnt.
Das Städtchen ist nicht viel mehr als eine Kreuzung an der Landstraße, mit einem kleinen Markt, einem modernen Hotel ohne regelmäßige Stromversorgung auf einem Hügel, ein paar Verwaltungsgebäuden und ein paar verschlafenen Sträßchen mit vernachlässigten Häusern.
Dutse bräuchte niemand wirklich, genauso wie niemand das Jigawa-Bundesland braucht. Jigawa hat der damalige nigerianische Junta-Chef Ibrahim Babangida 1991 nur aus dem einen Grund geschaffen, um den Leuten in der Gegend etwas Gutes zu tun. Sie bekamen einen Gouverneur und all die dazugehörigen Beamtenposten, und viel wichtiger natürlich die Zuwendung aus dem nigerianischen Budget für die Verwaltung eines Bundeslandes. Jigawa ist im Grunde also nur ein Bohrloch im Norden Nigerias, um einen größeren Anteil des Staatshaushaltes, das heißt aus den Einnahmen der Erdölförderung aus dem Süden, in den Norden abzusaugen.
Ich nahm ein Taxi und fuhr schnurstracks zum Palast des Emirs auf dem Hügel über der Stadt. Sein über 200 Jahre alter Palast ist sehr schön hergerichtet. Am Eingang steht ein großes Tor mit einer Zuschauertribüne. An Feiertagen steht der Emir dort oben und grüßt seine Untertanen. Das Hauptgebäude ist im massigen Stil der Region aus Lehm gebaut, und aus seinem Dach ragen wehrhafte Zinnen. Die typischen, feinen Hausa-Reliefs auf den cremefarbenen Wänden sind sehr bunt mit leicht gedeckten Regenbogenfarben bemalt.
Als ich ankam, verließ der Emir gerade seinen Palast und verabschiedete sich ins Wochenende. Seine Musiker bliesen auf ihren Schalmeien, zwei Meter langen Jericho-Trompeten, Flöten aus Kuhhörnern und schlugen ihre Trommeln. Sie spielen immer zu Ehren des Emirs, wenn er vor dem Palast ankommt oder ihn verlässt.
Ein Sekretär, dem ich mein Anliegen kurz erklärte, zog mich am Arm in die Nähe des Herrschers. Er war von einer Gruppe von Höflingen umringt. Ich zeigte dem Emir meinen Presseausweis, erklärte ihm, was ich wollte, gab ihm meine Visitenkarte - und schon hatte ich eine Verabredung mit ihm am Morgen des nächsten Arbeitstages.
Die Wachen vor seiner Privatresidenz im Wohnviertel von Dutse schienen das jedoch nicht recht glauben zu können. Sie ließen mich am Tor warten. Nach fünf Minuten jedoch wurde ich in einen Bungalow geführt.
Hätte auch er nicht die bunten Hausa-Muster an den Wänden gehabt, und wären im Innern nicht Teppiche mit orientalischen Mustern am Boden gelegen, hätte man ihn für einen europäischen Bungalow halten können.
„Seine königliche Hoheit, der Emir von Dutse, Mekka-Pilger Nuhu Muhammad Sanusi“ – so ist der offizielle Name und Titel des Emirs - kam mit offenen Armen auf mich zu. Er stieß ein freudiges „Peter!“ aus und setzte das verbindlichste Lächeln auf - so als treffe er einen alten, treuen Freund, den er schon sehr lange nicht mehr gesehen hat.
Der Emir empfing mich in vollem Staat. Auf dem Kopf trug er einen beigen Turban mit den typischen geknoteten Pferdeohren der Hausa-Emire. Der verdeckt auch sein Kinn und endet in einem Latz auf der Brust. Dazu trug einen farblich passenden Boubou. Er ließ sich auf einem Stilmöbelsofa nieder und bot mir einen Sessel ihm gegenüber an.
Der Emir ist tatsächlich sehr gebildet. Nach der Grundschule ging er auf ein amerikanisches Gymnasium. „Mein Vater war sehr fortschrittlich“, sagte er. Und studierte Anfang der siebziger Jahre vier Jahre an der Universität von Ohio. Anschließend fuhr er je sechs Monate durch die USA und Europa. „Seitdem ist Reisen mein Hobby. Ich war immer neugierig, etwas über andere Kulturen zu erfahren“, sagte er und ließ seine sanften, ein wenig traurig wirkenden Augen in die imaginäre Fremde schweifen. Bis heute hat er Freunde in Deutschland und den USA, und um auf allen Kontinenten, in allen Weltgegenden gewesen zu sein, fehlen ihm nur noch Reisen nach Ost- und Südafrika.
Sein Diplom in Betriebswirtschaftslehre machte er auf einer renommierten Universität in Großbritannien und arbeitete danach als hochrangiger Funktionär in allen möglichen staatlichen Landwirtschaftsbetrieben im Norden Nigerias. Er erzählte
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