Afrika Saga 02 - Feuerwind
Welt geholt hatte, egal wie verquer es lag, war selbst sehr krank, und so hatte Sihayo Katheni von Inqaba um Hilfe gebeten. Es war ein hartes Stück Arbeit gewesen, aber endlich hielt sie Lulamani im Arm, ein zierliches, aber kräftig brüllendes Kind, und nach den Gesetzen der Zulus war sie nun für das Mädchen verantwortlich, so wie es Lulamanis Pflicht sein würde, im Alter für sie da zu sein.
Als Catherine Lulamanis und Nomitis Leben gerettet hatte, war so eine Schuld beglichen worden, wenn auch nur ein kleiner Teil. An jenem pechschwarzen Tag, der nur aus Schmerzen und Angst bestand, als ihr erstes Kind in ihrem Bauch zu sterben drohte, als Johann nur noch um ihr Leben flehte, und sie schon auf der Schwelle zum Jenseits stand, war Mandisa gekommen, diese resolute, großherzige, unerschrockene Frau, die mehr über Kräuter und ihre Wirkungen wusste als jeder Inyanga ihres Stammes und sicherlich mehr als der Armeearzt, der damals in Durban praktizierte und eher als Viehdoktor taugte und ohnehin gut zehn Tage entfernt war.
Mandisa erschien, schob Johann energisch beiseite, und zwei Stunden später hatte Catherine ihr Kind im Arm gehalten, sie selbst war völlig ausgelaugt und so erschöpft, dass sie nicht sprechen konnte, Viktoria aber war kräftig und schrie und verlangte sofort nach ihrer Brust. Den Augenblick, als Johann an ihrem Bett kniete und sie zu dritt waren, diesen kostbarsten Augenblick ihres bisherigen Lebens, verdankte sie der tatkräftigen, weisen Zulu. Hinterher hatte die gewiefte Schwarze Johann fünf Kühe als Preis für ihre Kunst genannt, dabei ihr fettes Lachen gelacht, das hieß, dass sie genau wusste, dass der Preis eigentlich maßlos war. Aber sie hatte den Umlungu Jontani, wie Johann von den Zulus genannt wurde, völlig richtig eingeschätzt, Johann hatte sofort zugestimmt. Für das Leben seiner Frau und seines Kindes hätte er freudig alle seine Rinder hergegeben.
Catherine hatte bis zu diesem Tag ihr Versprechen an Mandisa gehalten, mit niemandem darüber zu sprechen, was in dem Zimmer damals geschehen war, auch nicht mit Johann.
Die Kutschenräder knallten auf ein Hindernis, das Gefährt machte einen Satz und schleuderte, als würde eine Riesenfaust es schütteln.
Sie schlug mit dem Kopf gegen den Fensterrahmen, dass Sterne vor ihren Augen tanzten, und kehrte damit unsanft in die Gegenwart zurück. Ihr Mund war trocken, und die Zunge klebte ihr am Gaumen.
Sie bückte sich, nahm die mit Filz verkleidete Wasserflasche aus ihrer Reisetasche, die sie zwischen ihren Beinen eingeklemmt hielt, entkorkte sie und trank in langen Zügen.
Ihre Gedanken sprangen von Sicelo zurück zu einem anderen Sohn dieses geheimnisvollen Kontinents, und unvermittelt glaubte sie einen Duft von Anis zu spüren, würzig, hell und untrennbar mit César verbunden, dem Griot aus Mali, dem Hüter der Geschichten seines Volkes. Er war eines Tages in ihrem Leben aufgetaucht und erzählte, dass er seine Geschichten verloren hätte. Da er glaubte, dass die beiden Fremdlinge, die kleine Catherine und ihr Vater, auf der Suche nach ihrer Farbe wären, denn sie waren schließlich weiß und nicht braun wie alle Menschen, bat er darum, sich ihnen anschließen zu dürfen.
Er fand seine Geschichten wieder, und noch heute spürte sie seine Worte, die in jede Pore ihrer Haut gedrungen waren, als sie noch ein Kind war, und sich in Anisduft verwandelt hatten. Als er an derselben mysteriösen Krankheit starb wie ihr Vater, bei lebendigem Leib von Maden aufgefressen wurde, blieben ihr dieser tröstliche Duft und das Echo seiner Geschichten. An seine Stelle war Sicelo getreten.
Catherine hielt der schwangeren Frau die Flasche hin. »Möchten Sie auch etwas trinken?«, fragte sie auf Deutsch. Ihre Stimme raschelte wie trockene Blätter.
»Nein, nein, danke«, stotterte die Frau, offensichtlich verblüfft, ihre eigene Sprache in dieser Wildnis zu hören.
Catherine bückte sich, um die Flasche wieder zu verstauen, spürte, wie das Blut in ihrer Stirn pochte.
»Sie haben da eine große Beule auf der Stirn, gnädige Frau«, flüsterte ihre Mitfahrerin.
Catherine fasste hin, spürte die Schwellung. Verstohlen untersuchte sie auch ihre Arme. Auch hier hatte sie schmerzhafte Stellen.
Hätte sie geahnt, dass die Postkutschenfahrt ein derart Knochen brechendes Abenteuer war, wäre sie doch besser geritten, auch wenn das einen Tag länger gedauert hätte und sie in irgendeiner Spelunke hätte übernachten müssen.
Die sechs Gäule
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