Afrika Saga 02 - Feuerwind
Jahre lag das etwa zurück. Da war unsere Welt noch in Ordnung, dachte sie.
Stefan war ein unbekümmerter Junge, Viktoria und Maria fröhlich wie zwitschernde Vögelchen, und Lulamani ein süßes, zutrauliches Mädchen, das oft auf Inqaba erschien, um mit Maria zu spielen.
Später, als sie immer mehr Pflichten im Umuzi ihrer Eltern übernehmen musste, waren ihre Besuche selten geworden, ihre Zutraulichkeit hatte sich in eine gewisse Zurückhaltung verwandelt.
Lulamani. Unwillkürlich seufzte sie, fing dabei den neugierigen Blick des älteren Mannes ihr gegenüber auf, der sie schon seit Fahrtbeginn auf ungezogene Art angestarrt hatte. Sie senkte den Kopf, sodass die Krempe ihres Huts ihr Gesicht verbarg, und schloss die Augen, schloss die Welt aus, verkroch sich in ihr Innerstes.
Lulamani war Nomitis und Sihayos Tochter und wie viele Kinder der Farmarbeiter mit den Steinach-Kindern aufgewachsen. Der Name Nomiti war untrennbar mit Erinnerungen an Sicelo verbunden, und die würden unweigerlich den Giftschlamm hochspülen. Mit zusammengebissenen Zähnen wollte sie sich den Bildern widersetzen, die jetzt aus dem schwarzen Nebel des Vergessens auftauchten. Doch ihre Kraft reichte nicht. Sicelo stand vor ihr und neben ihm eine hübsche, junge Zulu, die europäische Kleidung trug, komplett mit Hut und weißen Handschuhen.
»Sie wird meine neue Frau«, hatte der lange Sicelo sie mit unverhohlenem Stolz vorgestellt. »Ich nehme sie mit nach Inqaba.«
»Guten Tag, Madam, ich freue mich, Sie kennen zu lernen.« Das Mädchen deutete einen Knicks an. Ihr Englisch war perfekt, ihr Ausdruck gewählt.
Catherine hatte es die Sprache verschlagen. Es stellte sich heraus, dass König Mpande das Mädchen als Kleinkind einem Missionar geschenkt hatte, der den König von einer Krankheit heilte. Das kinderlose Missionarsehepaar nannte sie Sophia und erzog sie wie seine Tochter, ließ ihr auch die Ausbildung angedeihen, wie es sich für eine der ihren geziemte. Sicelo und sie hatten sich zum ersten Mal auf dem Markt in Durban getroffen.
Am nächsten Tag erschien Sophia, ihre Habseligkeiten balancierte sie in einem Bündel auf dem Kopf, um ihre Hüften trug sie nichts als einen Schurz, der sich auf den zweiten Blick als der Überrest ihres Stoffrocks herausstellte, und um ihre Stirn gewunden das Band aus schimmernden Holzperlen. »Ich heiße Nomiti«, verkündete sie.
Wie ein Reptil, das sich häutet, hatte das junge Mädchen mit ihrem Namen auch ihre europäische Hülle abgestreift. Wie selbstverständlich servierte Nomiti ihrem Mann Sicelo sein Essen auf den Knien und hob nie länger die Augen zu ihm als für einen flüchtigen Blick, so wie es die Sitte von einer Zulufrau einem Mann gegenüber verlangte. Nur ihr fließendes Französisch, das etwas altmodische Englisch und ihre unzweifelhaft damenhaften Manieren erinnerten an ihr früheres Leben. Sicelo und Nomiti wurden so glücklich, wie es zwei Liebende nur sein konnten, und nie hatte Catherine sich verziehen, dass ihre Unachtsamkeit dazu führte, dass der Zulu sein Leben verlor.
Noch heute träumte sie von diesem einen Augenblick, und im Traum stolperte sie nicht, fiel nicht gegen Sicelo, der verlor nicht das Gleichgewicht, sein Gegner konnte ihm den Panga nicht entreißen.
Welle auf Welle rollten die Bilder über sie hinweg, und sie konnte nicht verhindern, dass auch der eine Name, den sie am meisten fürchtete, wie ätzende Säure in ihr hochstieg, der Name des Mannes, dem es um ein Haar gelungen wäre, ihr Leben und das ihrer Familie zu zerstören.
Konstantin von Bernitt.
Mit einem gewaltigen Hieb hatte Konstantin dem großen Zulu mit dessen eigenem Panga den Hals durchtrennt. Sie presste die Hände an die Schläfen. Das Abbild des sterbenden Sicelo hatte sich unauslöschlich in ihr Gedächtnis gebrannt. Nomiti verlor ihr Lachen.
Ein Teil von ihr war mit Sicelo gestorben, und so hatte Catherines Fehltritt auch ihr Leben zerstört.
Das war ihre private Hölle, das Kreuz, das sie bis ans Ende ihrer Tage tragen musste. Natürlich hatte Sicelos Bruder Sihayo Nomiti als Frau übernommen, wie es Sitte bei ihrem Volk war, und Johann hatte ihnen zehn Rinder zur Hochzeit geschenkt, aber ihr war es immer so vorgekommen, als wäre das der Preis für Sicelos Leben gewesen.
Zehn Rinder für einen Mann wie Sicelo.
Lulamani war das erste Kind von Sihayo und Nomiti, und während der Geburt geriet die junge Mutter in Not. Mandisa, Nomitis Schwiegermutter, die sonst jedes Kind in die
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