Afrika Saga 02 - Feuerwind
Nacht, lange vor Morgengrauen, lange bevor ihn aufgeregtes Vogelgezeter hätte verraten können, lange bevor irgendjemand auf der Farm wach war, packte er beide Tiere am Zügel und machte sich lautlos davon. Nach einer halben Meile saß er auf und lenkte seine Stute im ersten, wässrigen Morgengrauen nach Südosten.
Das alles geschah ungefähr zu der Zeit, als Johann überlegte, nicht sofort zu Catherine, sondern erst zurück nach Inqaba zu reiten. Der drohende Krieg erfüllte ihn mit tiefer Sorge. Er spürte, dass ihm nur noch wenig Zeit blieb, sein Haus gegen Plündereien abzusichern und seinen Leuten zu helfen, die über die Grenze nach Natal flüchten wollten. In großer Eile schrieb er einen langen Brief an seine Frau. Sie würde es verstehen.
Nisaka erreichte Cetshwayos Lager, aber wie beim ersten Mal bekam er den König nicht zu Gesicht. Der König trauerte um eines seiner Kinder, und so richtete Nisaka die Botschaft seines Herrn, Nkosi Sinzi, demselben Induna aus, der nicht nur die Stimme des Königs war, sondern auch sein Ohr.
Kikiza, der Hyänenmann, verließ noch in derselben Stunde das Lager.
Die Ereignisse, die Andrew Sinclair losgetreten hatte, wurden zu einer Lawine, die nicht mehr aufzuhalten war, und keiner der unmittelbar Beteiligten ahnte etwas davon.
Die Schiffssirene heulte, während sich Catherine ihren Weg entlang der Pier zwischen Kutschen, schwarzen Gepäckträgern und den vielen Zuschauern bahnte, die sich einfanden, wenn ein Schiff aus Europa auf dem Weg nach Indien Port Natal anlief. Der Dampfer glitt in die ruhigen Gewässer der Bucht, gleichzeitig hielt inmitten dichter Dampfwolken der Zug aus Durban am Landungssteg. In den Waggons wurden nicht nur die Schiffspassagiere, sondern auch große Mengen Fracht nach Durban befördert, die dann direkt vor den Läden abgeladen wurden. Das führte zum Unmut aller dazu, dass die Hauptstraßen der Stadt tagelang mit Ladung blockiert wurden.
Catherine unterdrückte ein Kraftwort, als eine Gruppe dahinschlendender, schwatzender Damen ihr den Weg versperrte. Sie hatte es wahrlich eilig, hatte sie Mila doch versprochen, sie bei der Schneiderin abzuholen, um gemeinsam zu ihrem Haus auf der Berea zu fahren, wo sie heute übernachten würde. Es war ihr einfach zu anstrengend, den Ritt vom Lobster Pott nach Durban und zurück an einem Tag zu bewältigen. »Dürfte ich bitte …« Sie schob sich an der Gruppe vorbei und hastete weiter zum Büro des Hafenmeisters.
Der Hafenmeister war nicht da. Sie musste noch warten. Nervös rannte sie auf und ab. Sie fühlte sich etwas träge von dem unerwartet schwülen Wetter, setzte sich auf die Bank, die vor dem Gebäude stand, und sah hinüber zu dem Dampfer, der vor der Hafeneinfahrt Anker geworfen hatte. Trauben aufgeregter Menschen hingen an der Reling. Noch mehr Einwanderer, dachte sie. Gut so. Natal brauchte Leute, Handwerker vor allen Dingen und Männer, die etwas von Ackerbau und Viehzucht verstanden.
Sie beschattete ihr Gesicht gegen die grelle Sonne. Das Landungsboot mit den ersten Passagieren näherte sich der Pier, noch zu weit weg, um Einzelheiten zu erkennen, aber in der vordersten Reihe stand ein Paar, jung offenbar, der Mann überdurchschnittlich groß und mit wehendem blondem Haar, die Frau in einem leuchtend vergißmeinnichtblauen Kleid, die sie in ihrer kerzengeraden Haltung in gewisser Weise an sich selbst erinnerte, als sie vor vierundzwanzig Jahren ihren Fuß auf diesen Strand gesetzt hatte.
Das einzige Gebäude, das damals diesen Namen verdiente, war ein größerer Schuppen mit lückenhaftem Dach gewesen. Die einzige Möglichkeit, an Land zu gelangen war, draußen auf hoher und meist außerordentlich unruhiger See von Bord des Seglers in ein kleines Boot umzusteigen, das für Passagiere nur den winzigen, lichtlosen Frachtraum bot, der sonst zum Transport zerlegter Wale benutzt wurde und bestialisch stank. Nachdem das Boot die meterhohen Brecher über der Sandbank bewältigt hatte, die die Bucht von Durban zum Meer hin verschloss, und über die spiegelglatte Oberfläche dieser paradiesischen Bucht vorbei an dösenden Flusspferden, Schwärmen von fischenden Pelikanen, springenden Delphinen und im Uferschlamm staksenden Flamingos geglitten war, um rund zweihundert Fuß vom Ufer Anker zu werfen, musste man auf den Rücken kräftiger Zulus steigen, die außer ein paar Tüchern, die sie zwischen ihren Beinen durchgezogen hatten, nackt waren. Nun erst konnte man seinen Fuß auf den sandigen
Weitere Kostenlose Bücher