Afrika Saga 02 - Feuerwind
auf den Bock stieg und das Zeichen zur Abfahrt gab. »Haben Sie noch einen Platz frei?«, rief sie hinauf.
»Aber sicher doch, die Dame«, antwortete eine ältere Frau mit schwieligen Händen, frisch eingewandert offenbar, ihrem für Natal so untauglichen, hochgeschlossenen, schwarzen Wollkleid nach zu urteilen. Sie rückte zur Seite, nicht ohne einen fassungslosen Blick auf Catherines Hosenrock zu werfen.
Aufatmend warf diese sich auf den harten Sitz, lächelte ihrer Sitznachbarin dankend zu und reichte dem Kutscher einen Tickey für die Fahrt. Während sie im Kopf ihre Einkaufsliste durchging, rumpelte die Kutsche entlang der festgefahrenen Sandstraße vorbei an der Point Tavern, dem einzigen und ständig überfüllten Gasthaus am Hafen, auf dessen Blechdach die hier ansässige Affenherde hockte und Nüsse über das Blech kullern ließ, und kreuzte dann die Eisenbahnschienen. Rechts und links hing verfilztes Buschwerk über den Weg, das Grün war überwuchert von leuchtend blauen Trichterwinden, Schwärme bunter Schmetterlinge stoben vor ihnen auf, und ein winziger, grün schimmernder Vogel flirrte um eine der prächtigen Blüten und entlockte ihrer Nachbarin einen Ausruf des Entzückens. Catherine sah es ebenfalls, aber sie war nicht ganz bei der Sache. Die Sorge um Maria beschäftigte sie zu sehr.
Hätte sie sich umgewandt, hätte sie gesehen, wie der hoch gewachsene, blonde Mann die junge Dame im vergissmeinnichtblauen Kleid fürsorglich über die schmale Landungsbrücke geleitete und sich mit leuchtenden Augen umschaute.
Im Geschwindschritt erledigte Catherine alles, verstaute endlich die Einkäufe mit Mangalisos Hilfe in dem Planwagen. Er hatte Cleopatra einen Eimer mit Wasser von Pettifers besorgt, und sie konnte sich bald auf den Weg zur Schneiderin machen, wo sie sich mit Mila verabredet hatte. Mila stand am Tresen und wandte ihr den Rücken zu. Sie legte der alten Dame den Arm um die Schultern und küsste sie. »Mila, verzeih, wenn ich dich habe warten lassen. Aber in der Stadt ist kaum ein Durchkommen.«
Mila trug ein flaschengrünes Stadtkleid ohne Pariser Steiß, den sie lächerlich fand, das glänzend mit ihren weißen Haaren und strahlend blauen Augen harmonierte. Sie hob die Hand. »Immer mit der Ruhe, mein Kind. Keine unziemliche Hast. Ich musste ohnehin mein Kleid erst anprobieren. Ich werde dir auf der Einweihungsfeier Ehre machen.« Eine rundliche Inderin mit einem roten Punkt auf der Stirn packte das mitternachtblaue Kleid vorsichtig ein. Aus dem Hintergrund hörte man leises Stimmengewirr, Rascheln, dann eine laute Frauenstimme, die empört aufschrie. »Du ungeschicktes Ding, pass doch auf!« Der Vorhang des Ankleideraums wurde zurückgerissen, und eine rothaarige Frau mittleren Alters fegte heraus.
»Meine Güte, ist das Lilly? Sieh doch mal«, flüsterte Mila.
Catherine drehte sich um. Es war tatsächlich Lilly Sinclair, obwohl sie ihre Freundin wirklich kaum erkannte. Es war gar nicht lange her, da war Lilly auf einem großen Fest vollkommen betrunken auf einen Tisch geklettert und hatte, bevor irgendjemand reagieren konnte, einen wilden Cancan hingelegt. Andrew hatte sie gepackt, sie sich wie einen Kartoffelsack über die Schulter geworfen und nach Hause befördert. Catherine wollte sie am nächsten Tag, bevor sie zum Lobster Pott aufbrach, besuchen, war aber von diesem teutonischen Drachen, der Haushälterin, nicht eingelassen worden. So war ihr nichts anderes übrig geblieben, als ihre Karte zu hinterlegen. Sie musterte ihre Freundin.
Lilly hatte eine erstaunliche Wandlung durchgemacht. Innerhalb dieser kurzen Zeit hatte sie sichtlich an Gewicht verloren, die frühere Lilly hatte sich gewissermaßen aus den Fettmassen herausgeschält, ihre Knochenstruktur war wieder hervorgetreten. Sie war frisch frisiert, herausgeputzt in einem Kleid aus blauem Moiretaft und ausladendem Hut mit riesiger Kinnschleife. Im Hintergrund drückten sich ihr Hausdrache herum, düster gekleidet mit wollenem Schultertuch, und Lillys indisches Mädchen Fatima, deren roter Sari wie eine exotische Blüte leuchtete.
»Mila, ich begrüße dich, meine Liebe.« Lilly beugte sich hinunter zu der alten Dame und küsste die Luft neben ihrer Wange. »Catherine, wie schön, dich zu sehen.« Wieder knallten kleine Küsschen.
Die alte Dame betrachtete sie kritisch. »Was hat du nur angestellt?
Du bist mager wie ein verhungerter Hering.«
»Alles nur eine Sache des Willens.« Lilly machte eine wegwerfende
Weitere Kostenlose Bücher