Afrika Saga 02 - Feuerwind
ihrer Tochter aus dem Weg gegangen, aber in ihr hatte sich ein Gemisch aus Sorge und Empörung über die Halsstarrigkeit Marias aufgebaut. Um diesen inneren Druck irgendwie loszuwerden, krempelte sie ihre Arbeitshosen bis zu den Waden auf, marschierte in den Gemüsegarten, hackte mit dem Spaten in die steinige, rote Erde, riss das Unkraut heraus, grub armlange Wurzeln mit ihren bloßen Händen aus. Rechts und links flogen die Erdklumpen, Steine, die sie fand, schleuderte sie bis in den Fluss, der sich tief unter ihrem Land träge dahinwälzte. Sie raunzte Bobo an, ließ sich sogar dazu hinreißen, einem vorwitzigen Pavian mit dem Schrotgewehr eins auf den Pelz zu brennen, stritt mit Jabisa, aber der Druck wollte nicht nachlassen. Jabisa saß auf einer Bank unter dem Guavenbaum, putzte Bohnen und musterte ihre Umlungu dabei eindringlich.
»Was ist es mit Maria?«, fragte sie in ihrem umständlichen Englisch und bewies wieder einmal ihre Fähigkeit, sofort den Kern komplizierter Sachverhältnisse zu erkennen. »Sie bockt wie eine störrische Ziege, Jontani schleicht herum, als hätte Ingwe seine beste Kuh gerissen, und ich sehe, dass der Zorn deine Seele frisst. Warum lässt du das geschehen?«
»Maria will allein übers Meer fahren«, hatte Catherine ihr schließlich erzählt. »In das Land, in dem ich geboren wurde. Sie will dort für lange Zeit leben, für mehrere Regenzeiten, und ich mache mir Sorgen. Sie ist noch zu jung.«
Jabisa schaute sie aus Augen an, die wie stille, schwarze Teiche waren. »Das ziemt sich nicht für eine Frau«, sagte sie endlich, denn sie hatte sehr klare Vorstellungen von dem, was sich für eine Frau gehörte, und da war es ihrer Meinung völlig gleichgültig, ob diese schwarz oder weiß war. »Du musst es ihr verbieten, du, Katheni, nicht Jontani. Er kann es nicht. In den Fingern seiner Töchter wird er weich wie das Fett von Imvubu, dem Flusspferd, auf dem Feuer.«
Danach hatte sie ihre Tochter auf die Veranda zitiert.
»Setz dich, und zwar sofort.« Catherine musste nicht einmal ihre Stimme heben, Maria setzte sich prompt. »Du weißt, dass es keinen Sinn hat, deinen Vater zu bearbeiten. Ich spreche auch für ihn. Ich hoffe, du siehst das ein.«
Maria sprang auf. Ihre Wangen brannten vor Empörung. »Ich bin alt genug und kann mein Leben selbst bestimmen …«
»Du hast weder die Erfahrung noch die Mittel, dich in Deutschland allein durchbringen zu können. Man wartet dort nicht auf dich, auf das Mädchen aus dem fernen Afrika. Glaube mir, das würde kein Zuckerschlecken werden.« Die Worte waren heftiger gekommen, als sie beabsichtigt hatte. Es tat ihr sofort Leid.
»Du weißt nichts vom Leben, und schon gar nichts vom Leben in Europa, oder glaubst du, dass es dir dort hilft, wenn du weißt, wie man einen Springbock häutet oder einem wütenden Nashorn ausweicht?
Du wärst in Deutschland so fremd wie ein Elefant in den bayerischen Bergen.«
»Das Geld von Tante Adele …«
»… gehört euch drei Geschwistern«, fiel Catherine ihr ins Wort.
»Dein Teil wird wohl gerade ausreichen, dass du bei meiner Verwandtschaft ein paar Monate als zahlender Gast unterkommen kannst. Ich werde ihnen schreiben.«
Catherine schnappte nach Luft, als die Kutsche unvermittelt in eine Senke rumpelte.
Sie hatte so gut wie keinen Kontakt zu ihrer Familie. Ihr Vater und seine Schwiegerfamilie hatten sich nicht gut verstanden. Er hatte den Bruder seiner Frau und seine gesamte Sippschaft pauschal als langweilige Geldsäcke bezeichnet, als Kulturbanausen obendrein, die kaum je ein Buch in die Hand nahmen, bezweifelte vor anderen laut, dass diese tatsächlich lesen konnten. Die Familie ihrer Mutter hielt ihn ihrerseits für einen Fantasten, argwöhnten über den Sinn seiner Expeditionen, rümpften die Nase über seine Freundschaft zu César, dem Griot aus Westafrika, und waren entsetzt, dass er seine Tochter mit knapp fünf Jahren auf seine Forschungsreisen mitnahm.
Es war keine gute Basis, um sie um einen Gefallen zu bitten.
»Wenn alles glatt geht und die Mellinghoffs zustimmen, könntest du Anfang Mai reisen«, hatte sie Maria erklärt. »Es bliebe dir genügend Zeit, alles gründlich vorzubereiten. Entweder du akzeptierst das, oder du bleibst hier. Basta!« Das Wort kam klar und hart wie ein Hammerschlag.
Catherine schnitt es ins Herz, so sehr ähnelte sie in ihrem Kummer dem kleinen Mädchen, das sie einmal gewesen war. Sie hatte ihre Arme ausgebreitet und ihre Tochter an sich gezogen.
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