Afrika Saga 02 - Feuerwind
unserer schönen Sprache magst du ja als ganz putzig ansehen, meine Liebe«, hatte Frau Mellinghoff, ihre angeheiratete Tante, mit gerümpfter Nase gesagt, »aber das verrät doch deine recht mangelhafte Schulbildung. Du willst studieren? Dass ich nicht lache! Zuförderst solltest du dich bemühen, ein korrektes Deutsch zu sprechen. Das wäre ja wohl das Mindeste, sollte man meinen. Abgesehen davon, dass es sich für Frauen nicht schickt, ja geradezu äußerst unweiblich ist, sich den Wissenschaften widmen zu wollen.«
Leon hatte sich zu ihrer Überraschung auf ihre Seite geschlagen.
»Ich würde das einen kreativen Beitrag zur deutschen Sprache nennen«, warf er ein, was ihm einen tadelnden Blick seiner Mutter eintrug. »Und warum sollte sie nicht studieren?«, setzte er mit einem aufsässigen Funkeln in seinen blauen Augen hinzu. »Was hat das damit zu tun, dass sie eine Frau ist? Frauen haben Köpfe, habe ich bemerkt, ich habe in der Pathologie einige von ihnen von innen untersucht und kann dir versichern, dass sie auch die dazugehörigen Gehirne besaßen.«
Maria hatte sich fast verschluckt bei dem Bemühen, ihren Lachanfall zu unterdrücken, aber dann war Ludovig Mellinghoff dazugekommen, und bevor sie sich jetzt dagegen wehren konnte, tönte auch noch seine laute Stimme aus der Vergangenheit, und was er gesagt hatte, hatte damals ihren Träumen einen grausamen Dämpfer versetzt.
»Ach, studieren willst du immer noch? Dass ich nicht lache!
Kindchen, mit so einem hübschen Gesichtchen studiert man doch nicht«, rief er aus und zwirbelte seinen Backenbart, was er immer tat, wenn ihn etwas amüsierte. »Heiraten solltest du, schließlich bist du ja nicht mehr die Jüngste mit deinen zweiundzwanzig Jahren, und schon im September wirst du ein Jahr älter. Auf dem besten Wege, ein spätes Mädchen zu werden, was? Außerdem hat die Wissenschaft zweifelsfrei bewiesen, dass das Gehirn der Frauen kleiner ist. Das wird dir mein neunmalkluger Sohn wohl bestätigen müssen. Da geht halt weniger hinein, nicht wahr? Schon nach kürzester Zeit würde das deinige anschwellen und wohlmöglich platzen. Entsetzliche Vorstellung, wie? Nein, nein, studiert wird hier nicht. Du solltest Klavier spielen lernen, Sticken und ähnlich nützliche Dinge, die eine Frau können muss. Soweit ich weiß, hast du nichts von alledem gelernt, wie? Deine Kinderstube war wohl zu fein. Nicht einmal ordentlich tanzen kannst du, wie wir bei unserem großen Ball festgestellt haben. Obwohl ich gesehen habe, dass deine Ballkarte doch voll geworden ist. Erstaunlich, erstaunlich! Hast wohl Qualitäten, die uns verborgen bleiben, was?« Seine Worte begleitete er mit einem dröhnenden Lachen, zwickte sie dabei in die Wange und blickte ihr erst tief in die Augen und dann in den Ausschnitt. Plötzlich lachte er schallend. »Wäre ja im Übrigen auch ein wenig schwierig, in Hamburg zu studieren. Wir haben nämlich gar keine Universität.«
Sie hatte ihm ins grinsende Gesicht gestarrt und keine Worte gefunden, denn damit hatte sie nicht im Entferntesten gerechnet. Es konnte nicht sein. Eine so große, bedeutende Stadt musste doch seit Jahrhunderten eine Universität haben! Seine Worte klebten wie Schleim an ihr. »Was heißt das?«, konnte sie nur mühsam hervorpressen.
»Na, wie ich es sage! Hamburg hat keine Universität und Lübeck auch nicht. Brauchen wir nicht, wir haben unseren Hafen und unsere Kontorhäuser.« Ihr Onkel machte sich so augenscheinlich lustig über sie, dass sie sich um ein Haar vergessen und eine Vase nach ihm geschleudert hätte, so verzweifelt war sie.
»Ja, wo hat denn Leon studiert?«, stotterte sie.
»In Rostock, wo er bei meinem Bruder Berthold wohnte, der unsere Dependance dort leitet. Handel mit Russland, Schweden, Dänemark und dem Baltikum ist unser Geschäft, ein sehr erfolgreiches, wenn ich das bemerken darf.« Vergnügt rieb er dabei seine Finger aneinander, als zählte er Geld.
Und dann, während sie noch nach einer passenden Antwort suchte, sagte er den Satz, der ihr buchstäblich den Boden unter den Füßen wegzog. »Im Übrigen gibt es da noch eine Kleinigkeit, liebe Nichte. Du jagst einer Fata Morgana nach. Ich habe mich genauestens erkundigt und zu meiner Genugtuung festgestellt, dass kluge Männer rechtzeitig festgelegt haben, dass Frauen von den Hörsälen fern gehalten werden. Selbst solche, die es im Ausland, wo ja oft verluderte Sitten herrschen, geschafft haben, zu studieren und sogar als weibliche Ärzte zu
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