Afrika Saga 02 - Feuerwind
unterbrach ihn der andere, »Intolwane ist besser …«
»Du redest Unsinn«, sagte der Älteste. »Wir müssten die geriebene Wurzel einen Tag und eine Nacht kochen, das dauert zu lange. Die Seele von Nkosi Bartholewi wird bald seinen Körper verlassen, wir sollten Ugwawa nehmen.«
Maria war verzweifelt. Dann erinnerte sie sich dunkel daran, dass ihre Mutter die Blätter der Guave, zerdrückt und in Wasser ausgekocht, den Kranken als Tee gereicht hatte. War der Kranke schon sehr geschwächt und Eile geboten, hatte sie gelegentlich Einläufe gemacht. Aufgeregt befahl sie den drei Männern auszuschwärmen und ihr die Blätter der Guave zu bringen. Zu ihrer Erleichterung kehrten sie schon nach kurzer Zeit mit einem Arm voll Gestrüpp zurück. In fliegender Hast kochte sie die klein geschnittenen Blätter in Wasser und flößte Bartholomew den Sud löffelweise ein.
Aber der lief ihm gleich wieder aus den Mundwinkeln, und ein Kuhhorn, mit dem sie ihrem Liebsten den Einlauf hätte verabreichen können, hatte sie nicht zur Hand.
Bartholomew war alsbald in tiefe Bewusstlosigkeit gefallen. Zwei Tage und zwei Nächte hatte sie bei ihm gewacht, war nur gelegentlich in einen unruhigen Dämmerschlaf gesunken. In der Morgendämmerung des dritten Tages, sie war nur kurz eingenickt, schreckte sie hoch und beugte sich über ihn. Er lag still, so entsetzlich still, und seine Gesichtszüge hatten sich verändert, waren maskenhaft und starr. Auch ohne dass sie seinen Puls kontrollierte, wusste sie, dass er tot war. Wie betäubt blieb sie neben ihm sitzen, hielt seine langsam erkaltende Hand in ihren Händen, war unfähig, sich von ihm loszureißen.
Die Fliegen waren die ersten, die es rochen, aber bald hörte sie auch das aufgeregte Jaulen von Hyänen, und in der Akazie über ihr hockten drei Geier und warteten. Musa, der Älteste ihrer Fährtensucher, kam am nächsten Tag zu ihr und erklärte ihr ohne Umschweife, dass der Körper des Toten noch in dieser Stunde begraben werden müsste. So schwer es ihr fiel, ihn gehen zu lassen, sie sah die Notwendigkeit ein.
Sie kniete vor ihm mit seiner kalten Hand in ihrer und schwor, sich medizinisches Wissen anzueignen, damit sie nie wieder einem geliebten Menschen hilflos beim Sterben würde zusehen müssen.
Die drei Zulus hoben ein Grab aus, beerdigten Bartholomew in sitzender Position, wie es ihrem Brauch entsprach, und deckten das Grab mit einem hohen Steinhaufen ab. Maria legte den letzten Stein auf die Spitze, kniete nieder und verabschiedete sich von ihrem Liebsten. Als sie aufstand und ihren Hosenrock abstaubte, hielt ihr Musa einen Zweig des Umhlalankosibaums entgegen.
»Nkosikazi, du musst die Seele deines Mannes in sein Haus zurückbringen, sonst ist er dazu verdammt, für ewig durch die Schatten dieser Erde zu wandern.«
Maria nickte. Gelegentlich hatte sie diese Zeremonie beobachtet, wenn jemand im Busch, fernab seines Hauses, gestorben war.
Bartholomew hatte nie ein Haus besessen, die Wildnis war sein Haus gewesen, der weite, afrikanische Himmel sein Dach, er hatte sich im Fluss gewaschen und von dem ernährt, was ihm das Land bot. Sie nahm den Zweig entgegen, und als sie allein war, kletterte sie auf den höchsten Hügel und ließ ihn vom Wind davontragen.
Niemandem erzählte sie von diesem Unglück. Unter seinen Sachen befand sich ein Brief des Kurators vom Londoner Zoo, und sie schickte diesem eine kurze Nachricht und alle Aufzeichnungen, die Bartholomew über Wildtiere gemacht hatte. Seine Mutter lebte nicht mehr, das wusste sie, aber ob er noch Familie hatte, hatte er nie erwähnt. Den Rest seiner Sachen, ein jämmerlich kleines Bündel, versteckte sie in ihrem Zimmer auf Inqaba.
Vor der Wache waren auf einmal laute Rufe zu hören, und Maria kam wieder zu sich. Sie fröstelte. Nervös nagte sie an ihrem Daumen. Sie konnte ihre Eltern jetzt nicht um Beistand bitten. Es hieß, zugeben zu müssen, dass sie gescheitert war, und das wollte und konnte sie nicht akzeptieren. Dabei war sie so froh gewesen, als sich ihr endlich ein Ausweg geboten hatte.
Gegen Ende des Sommers, nachdem sie wochenlang in Hamburg nur Däumchen gedreht hatte, da Semesterferien waren und sie doppelt zur Untätigkeit verurteilt war, hatte sie sich entschlossen, nach Semesterbeginn an die Universität in Rostock zu schreiben, um zu versuchen, zumindest als Gasthörerin aufgenommen zu werden.
Leon hatte ihr gesagt, dass das bei einigen fortschrittlichen Professoren möglich war.
Drei Briefe
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