Afrika Saga 02 - Feuerwind
schrieb sie, wartete aber vergeblich auf Antwort. Noch überlegte sie fieberhaft, wie sie es anstellen könnte, nach Rostock zu reisen, um dort persönlich bei der Universität vorstellig zu werden, da passierte eines Tages etwas Überraschendes.
An diesem Abend erschien ein sichtlich aufgeregter Ludovig Mellinghoff als Letzter beim Abendessen, klopfte gegen sein Glas und wartete, bis er der ungeteilten Aufmerksamkeit aller Familienmitglieder sicher sein konnte. »Der Kronprinz und die Kronprinzessin werden sich Anfang Oktober in Rostock aufhalten. Unserer Familie wird die hohe Ehre zuteil, bei dem Empfang Ihrer Kaiserlichen Hoheiten zugegen sein zu dürfen.«
Elise Mellinghoff fächelte sich erregt mit einer zusammengefalteten Zeitung Kühlung zu. Diese Nachricht hatte ihr träges Blut wahrlich in Wallung gebracht, galt es doch jetzt, ihre Garderobe und die ihrer Töchter auf den neuesten Stand zu bringen. »Betrifft das auch sie?«, raunte sie ihrem Gatten kurz zu und nickte in Richtung ihrer angeheirateten Nichte.
»Nun ja, wir können sie schließlich nicht wie Aschenputtel zu Hause verstecken«, meinte Ludovig Mellinghoff. »Das würde eigenartig erscheinen und auf uns zurückfallen, denn es ist ja bekannt, dass sie zu Besuch hier weilt und zur Familie gehört.«
Maria vernahm es wohl und errötete.
Damit wurde sie ebenfalls in den Wirbel um die Kleiderfrage hineingezogen. Gleichzeitig wurde das Problem der Etikette heiß diskutiert. Wie tief sollte der Hofknicks sein, durfte man den Kaiserlichen Hoheiten in die Augen blicken, drückte man ihre Hand, so die Hoheiten überhaupt geruhten, sie einem zu reichen, knickte der Mann bei der Verbeugung in der Taille ab oder machte er ein fach nur den Rücken richtig krumm? Und was, um Christi willen, redete man mit den Kaiserlichen Hoheiten? Durfte man überhaupt reden?
»Nicht auszudenken, wenn einem Mellinghoff in Gegenwart der zukünftigen Majestäten ein Fauxpas unterlaufen sollte«, rief Elise Mellinghoff. »Ludovig, deine Verbeugung ist zu steif, Luise, gib doch Acht, dass du beim Knicks nicht auf deinen Rock trittst. Du bist doch ein rechter Tölpel! Also, Leonore, Kind, du musst den Kopf dabei neigen und nicht grinsen wie ein Pferd!«
Endlich sprach ihr Mann, der entnervt immer mehr Zeit im Kontor verbracht hatte, während sich Leon zu seinen Freunden aus der Studienzeit flüchtete, ein Machtwort. »Ich gedenke nicht, mich als hanseatischer Kaufmann zu verbiegen. Das wird alles ganz natürlich gemacht.« Dann holte er seine unverheiratete Cousine Martha aus der Provinz, die lange in einem hochadligen Haus als Gesellschafterin gelebt hatte, und trug ihr auf, seiner Familie den letzten gesellschaftlichen Schliff zu verpassen, damit Elise endlich Ruhe geben würde.
Martha drillte sowohl Elise Mellinghoff als auch die Mellinghoff-Töchter und Maria in der Etikette. Stundenlang mussten sie vor dem Spiegel den angemessenen Hofknicks üben, bis es selbst Elise zu viel wurde, aber Martha war unerbittlich.
Ludovig entschwand ins Kontor, und auch Leon weigerte sich entschieden, mitzumachen. »Ich werde wohl imstande sein, eine anständige Verbeugung hinzubekommen, und wenn die Kaiserlichen Hoheiten geruhen, mit mir zu reden, werde ich ihnen antworten, und zwar wie mir der Schnabel gewachsen ist«, knurrte er und verschanzte sich hinter seinen medizinischen Büchern.
Maria ertrug alles klaglos, stand doch am Ende dieser Prozedur nicht nur ein Besuch bei der Universität, sondern auch die aufregende Tatsache, dass sie zum ersten Mal eine längere Strecke mit der Eisenbahn fahren würde, noch dazu im Salonwagen. Von Hamburg bis nach Hagenow und von dort über Schwerin und Kleinen endlich nach Rostock. Es klang wie eine Weltreise, und doch sollte es bei gutem Wetter tatsächlich nicht einmal einen Tag dauern.
Also lächelte sie, knickste, ließ Anproben bei der Schneiderin über sich ergehen, lächelte weiter.
Maria seufzte in der Erinnerung an diese langweiligen Stunden.
Dabei war die erste Zeit schön gewesen, dachte sie. Ihre Tante führte einen straffen Haushalt, das Personal war bestens erzogen.
Dinge geschahen lautlos, Wünsche wurden erfüllt, kaum dass man sie geäußert hatte. Das Leben in derart ungewohntem Luxus, das ihr keinerlei Pflichten aufbürdete, hatte sie in vollen Zügen genossen. Ihre beiden jungen Cousinen machten aus ihrer Bewunderung für die Verwandte aus dem exotischen Zululand keinen Hehl, und der sechsundzwanzigjährige Leon verschlang
Weitere Kostenlose Bücher