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After Moonrise (German Edition)

After Moonrise (German Edition)

Titel: After Moonrise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.c. Cast
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in der Hand. Levi hatte einen Augenblick gebraucht, um sich zu sammeln. Ein Teil von ihm hatte Harper fest in die Arme nehmen und vor allem beschützen wollen, auch vor der Vergangenheit. Der Rest von ihm wollte sie schütteln, weil sie nicht schon früher zu ihm gekommen war.
    Wenn das, was sie gemalt hatte, nicht aus einer überspanntenVorstellungskraft stammte, konnte sie bei einer solchen Szene nur Zeuge gewesen sein, wenn sie sich im gleichen Raum wie der Mörder befunden hatte. So ein Raum hatte keine Fenster. Wenn man also für den Augenblick die Annahme überspannter Vorstellungskraft verwarf – was er vorhatte, bis man ihm das Gegenteil bewies  –, hatte sie dem Mörder entweder Beihilfe geleistet oder sie war selbst gefangen gewesen, und es war ihr irgendwie gelungen zu entkommen. Ersteres bezweifelte Levi. Harpers Abneigung gegen Blut war echt, niemand konnte so gut schauspielern, dass ihm alle Farbe aus dem Gesicht wich. Blieb also nur noch die zweite Möglichkeit …
    Da wurde ihm klar, dass es auch noch eine dritte Möglichkeit gab. Sie konnte gefangen genommen und ermordet worden sein.
    Mit dem Tod war das Leben nicht vorbei. Das wusste er ohne jeden Zweifel. Er wusste, dass Geister ewig existierten. Das Problem war nur, dass er nie die Fähigkeit entwickelt hatte, diese Geister der unsichtbaren Welt zu sehen, und er bezweifelte, dass es ihm jetzt, mit vierunddreißig Jahren, gelungen war.
    Man hatte ihm gesagt, dass nur besonders begabte Menschen die unsichtbare Welt um sie herum sehen konnten. Er hatte auch gehört, dass man die Gabe mit speziellen Übungen im Laufe der Zeit entwickeln konnte, aber er hatte nie eine dieser Übungen ausprobiert. Jetzt bereute er das. Zwei seiner Kollegen besaßen die Gabe, und sie fanden Antworten in den schwierigsten Fällen. Sogar zu denen, die als unlösbar galten und niemand anderes mehr weiterwusste.
    Solche Antworten könnte Levi jetzt gut gebrauchen.
    Aber er würde bald genug etwas herausfinden. Das tat er immer. Eigentlich sollte er bereits am Telefon hängen und versuchen über Harper und ihre Vergangenheit so viel wie möglich auszugraben, und gleich auch noch über ihre Mitbewohnerin. Aber er hatte die beiden im Flur rennen und schnattern gehört und beschlossen, ihnen stattdessen zu folgen. Und er war froh darüber.
    Ein paar interessante Details hatte er bereits aufgeschnappt. Sie mochten einander und fühlten sich in Gesellschaft der jeweils anderen wohl. Sie redeten und lachten und neckten einander gutmütig. Und doch sahen neunzig Prozent der Passanten sie an, als gehörten sie eingeliefert, selbst die Männer, die Lana hinterhersabberten. Und so schön die Rothaarige auch war und so zerbrechlich Harper schien, wurden sie trotzdem von keinem Mann angesprochen.
    Von den übrigen zehn Prozent betrachteten fünf sie amüsiert, aber die anderen fünf schienen sich vor ihnen zu fürchten. Und diese verbleibenden zehn Prozent betrachteten ihn, Levi, mit purer Angst. Er war es gewohnt, dass Leute sich von ihm abwendeten oder direkt vor ihm wegliefen, als wäre er ein Massenmörder, der Blutrache geschworen hatte oder so was Ähnliches. Doch diese Leute waren normalerweise Kriminelle, die er gerade bei schrecklichen Verbrechen erwischt hatte.
    Endlich blieben die zwei Frauen vor einer Galerie stehen. All ihre gute Laune schien verflogen, und er sah nur noch ernste Entschlossenheit. Es war ein kleiner Laden, aber er wirkte weiträumig, mit großen Fenstern, die einen eleganten Innenraum mit Säulen und hängenden Lampen zeigten.
    Harper legte eine Hand flach auf eines der Schaufenster. „Hier war ich, daran erinnere ich mich noch.“
    „Ja, und du hast zig Gemälde verkauft in dieser Nacht.“
    Der Akzent … vielleicht Tschechisch.
    „Und du …“
    „Ich bin früh gegangen, mit irgendeinem Verlierer. “ Die Stimme der Rothaarigen quoll über vor Schuldgefühlen.
    „Ja, und ich bin nicht nach Hause gekommen.“
    Keine der Frauen wusste, dass er dicht hinter ihnen stand und sie belauschte. Dass sie gemeinsam auf der Suche nach Antworten waren, schloss vollkommen aus, dass es sich nur um das Produkt einer überreizten Vorstellungskraft handelte. Ja, Leute konnten sich selbst die seltsamsten Dinge einreden und überzeugt sein, dass sie Wirklichkeit waren, aber normalerweise gelang es ihnen nicht, auch andere davon zu überzeugen.
    Harper nahm die Hand, so fein und zart im Gegensatz zu Levis eigener, von der Glasscheibe und legte sie sich an den Hals.

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