Afterdark
hat.«
»Macht nichts. An so was sind wir gewöhnt. Ich weiß nicht wieso, aber eine Menge Mädchen bekommen in einem Love Hotel plötzlich ihre Tage. Unentwegt ruft eine an und braucht Binden oder Tampons. Manchmal würde ich am liebsten sagen, wir sind doch kein Matsukiyo-Drogeriemarkt. Auf alle Fälle muss ich dem Mädchen etwas zum Anziehen geben. So ist sie ja aufgeschmissen.«
Kaoru wühlt in einem Pappkarton und holt Wegwerfunterwäsche in einer Plastiktüte hervor. Sie ist für die Automaten in den Zimmern. »Das ist provisorischer billiger Kram, also nicht waschbar, aber vorläufig kann sie das mal benutzen.«
Als Kaoru anschließend im Schrank herumsucht, findet sie einen verwaschenen grünen Trainingsanzug und gibt ihn der Prostituierten.
Der ist von einem Mädchen, das früher mal hier gearbeitet hat, er ist gewaschen, also sauber. Sie braucht ihn nicht zurückzugeben. An Schuhen haben wir nur Gummilatschen, aber immerhin besser als barfuß gehen.«
Mari erklärt der Chinesin alles. Kaoru öffnet einen Schrank und nimmt mehrere Damenbinden heraus, die sie der Prostituierten gibt.
Die soll sie auch benutzen. Sie kann sich in der Toilette da drüben anziehen. Sie deutet mit dem Kinn in Richtung der Badezimmertür.
Die Prostituierte nickt und bedankt sich auf Japanisch. Dann geht sie mit den Sachen, die sie bekommen hat, über dem Arm ins Bad.
Kaoru setzt sich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch, schüttelt den Kopf und stößt einen langen Seufzer aus. »Was es in diesem Geschäft nicht alles gibt.«
»Anscheinend ist sie erst seit zwei Monaten in Japan«, sagt Mari.
»Ist sie eine Illegale?«
»Das hat sie mir bisher nicht gesagt. Ihrer Sprache nach stammt sie wohl aus dem Norden.«
»Aus der früheren Mandschurei?«
»Vielleicht.«
»Vielleicht«, wiederholt Kaoru. »Und kommt vielleicht auch jemand sie hier abholen?«
»Wohl die Leute, die ihr diese Arbeit zuteilen.«
»Ein Ring von Chinesen. Die kontrollieren die Prostitution in dieser Gegend«, sagt Kaoru. »Per Schiff schmuggeln sie Mädchen vom chinesischen Festland herüber und lassen sie die Überfahrt mit ihren Körpern bezahlen. Sie nehmen telefonische Bestellungen entgegen und liefern die Mädchen dann mit dem Motorrad ins Hotel. Wie beim Pizzaservice, ganz bequem direkt ins Haus. Für unsere Stammkunden.«
»Sind diese Chinesen wie Yakuza?«
Kaoru schüttelt den Kopf. »Nein, nein, ich war lange Profi Ringerin und viel auf Tour. Ich habe sogar ein paar Bekannte, die Yakuza sind. Im Vergleich zu den chinesischen Mafiosi sind die japanischen Yakuza Waisenknaben. Diese Typen sind vollkommen unberechenbar. Aber die Kleine hat niemanden und kann nirgends hin. Sie hat also keine andere Wahl.«
»Sie hat heute kein Geld eingenommen, werden diese Leute ihr da nichts Schreckliches antun?«
»Tja, keine Ahnung. Zumindest kann sie mit dieser Visage eine Weile nicht arbeiten. Und wenn sie nichts verdient, ist sie wertlos. Allerdings ist sie ein hübsches Mädchen.«
Die Prostituierte kommt in dem grünen Trainingsanzug und in Gummilatschen aus dem Badezimmer. Auf der Brust des Anzugs steht Adidas. Die Blutergüsse in ihrem Gesicht treten deutlich hervor. Ihr Haar sieht ordentlicher aus als vorher. Auch in dem abgetragenen Trainingsanzug, mit geschwollenen Lippen und blau geschlagenem Gesicht ist sie eine schöne Frau.
»Willst du telefonieren?«, fragt Kaoru sie auf Japanisch.
Mari übersetzt ins Chinesische. »Yao da dianhua ma? (Möchten Sie telefonieren?)«
Die Prostituierte antwortet auf Japanisch. »Ja, bitte.«
Kaoru reicht ihr ein schnurloses weißes Telefon. Das Mädchen drückt eine Nummer und erstattet der Person am anderen Ende der Leitung mit leiser Stimme auf Chinesisch Bericht. Die Person schreit etwas ins Telefon, sie antwortet knapp. Dann legt sie auf, gibt Kaoru mit ernstem Gesicht das Telefon zurück und bedankt sich förmlich auf Japanisch bei ihr. Dann wendet sie sich an Mari. »Mashang you ren lai jie wo. (Gleich kommt mich jemand abholen.)«, übersetzt Mari für Kaoru.
Kaoru runzelt die Stirn. »Wo wir gerade dabei sind, wir haben die Gebühr für das Zimmer nicht bekommen. Normalerweise wird die von den Freiern bezahlt. Aber der ist gegangen, ohne zu bezahlen. Das Bier ist auch noch offen.«
»Soll der, der sie abholt, bezahlen?«, fragt Mari.
»Ja«, sagt Kaoru und denkt nach. »Wenn es geht.«
Kaoru gibt Teeblätter in eine kleine Kanne und brüht sie auf. Sie verteilt den Tee auf drei Teeschalen, von
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