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Afterdark

Afterdark

Titel: Afterdark Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Schulter. »Tut mir leid, aber wir brauchen das Zimmer für neue Gäste. Wir bringen sie also lieber nach unten ins Büro. Kannst du bitte auch mitkommen?«
    »Aber sie ist nackt. Dieser Mann hat ihre ganzen Sachen mitgenommen. Von den Schuhen bis zur Unterwäsche - alles.«
    Kaoru schüttelt den Kopf. »Das hat er gemacht, damit sie nicht gleich Alarm schlagen kann, der Scheißkerl.«
    Kaoru nimmt einen dünnen Bademantel aus dem Schrank und reicht ihn Mari. »Vorläufig kann sie den anziehen.«
    Kraftlos erhebt sich die Frau, greift geistesabwesend nach dem Bademantel. Ehe sie ihn anzieht, steht sie einen Moment ganz nackt da. Verlegen wendet Mari den Blick ab. Sie hat einen zierlichen, aber schönen Körper. Wohlgeformte Brüste, glatte Haut, zartes, schattiges Schamhaar. Wahrscheinlich ist sie im gleichen Alter wie Mari. Sie sieht noch aus wie ein junges Mädchen. Da sie unsicher auf den Beinen ist, fasst Kaoru sie um die Schulter und führt sie aus dem Zimmer. Mari geht ihnen mit ihrer Tasche hinterher. In einem kleinen Personallift fahren sie nach unten. Kamille und Grille bleiben zurück, um weiter sauber zu machen.
    Die drei Frauen betreten das Büro des Hotels. An den Wänden sind Pappkartons gestapelt. Es gibt einen Stahlschreibtisch und eine einfache Sitzgruppe. Auf dem Schreibtisch stehen die Tastatur und der Flüssigkristallbildschirm eines Computers. An der Wand hängen ein Kalender, drei Rahmen mit Kalligraphien von Mitsuo Aida und eine elektrische Uhr. Einen tragbaren Fernseher gibt es auch, und auf einem kleinen Kühlschrank steht ein Elektrokocher. Für drei Personen ist der Raum recht eng. Kaoru setzt die chinesische Prostituierte auf das Sofa. Sie hält den Morgenmantel vorne fest zusammen, als sei ihr kalt.
    Nachdem Kaoru die Stehlampe eingeschaltet hat, untersucht sie nochmals die Wunde im Gesicht der Prostituierten. Sie holt einen Verbandskasten und reinigt ihr mit einem in Alkohol getauchten Wattebausch gründlich das blutverschmierte Gesicht. Auf die Wunde klebt sie ein Pflaster. Sie streicht ihr mit dem Finger über den Nasenrücken und vergewissert sich, dass die Nase nicht gebrochen ist. Sie hebt die Lider des Mädchen an und schaut sich den Bluterguss unter ihrem Auge an. Sie tastet nach Beulen an ihrem Kopf. Solche Dinge scheinen zu ihrer alltäglichen Routine zu gehören, und sie geht dabei erstaunlich gewandt vor. Am Ende holt sie einen Eisbeutel aus dem Kühlschrank, wickelt ihn in ein kleines Handtuch und reicht ihn der Frau.
    »Hier, das hältst du dir eine Weile unters Auge.«
    Dann fällt ihr ein, dass ihr Gegenüber ja kein Japanisch versteht, und sie bedeutet dem Mädchen, es solle sich den Beutel ans Auge halten. Das Mädchen nickt und gehorcht.
    »Sie hat unheimlich geblutet, aber das meiste kam wohl vom Nasenbluten. Zum Glück ist sie nicht schwer verletzt. Keine Beule am Kopf, und die Nase ist auch nicht gebrochen. Weder Augen- noch Mundwinkel sind eingerissen, nichts muss genäht werden. In einer Woche hat sie nur noch ein blaues Auge. Das könnte bei ihrem Gewerbe allerdings hinderlich sein.«
    Mari nickt.
    »Er hatte Kraft, aber als Schläger war er ein Anfänger«, sagt Kaoru. »Wenn einer so blindlings zuschlägt, tut ihm wahrscheinlich die Hand ziemlich weh. Dazu hat er noch mit voller Wucht gegen die Wand gehauen. Man sieht, wo sie nachgegeben hat. Der hatte wohl einen Aussetzer, und keinen Plan. An die Folgen hat er auch nicht gedacht.«
    Kamille kommt herein, um etwas aus einem der Kartons an der Wand zu nehmen. Einen neuen Bademantel für Zimmer 404.
    »Der Mann hat alles mitgenommen, ihre Tasche, ihr Geld und ihr Handy«, sagt Mari.
    »Hat es mit ihr gemacht und ist abgehauen?«, fragt Kamille von der Seite.
    »Nein, so war's nicht. Also, wie soll ich sagen ... Bevor sie angefangen haben, hat sie plötzlich ihre Tage bekommen. Vorzeitig. Dann ist der Mann wütend geworden ...
    »Da kann man doch nichts machen. So was kommt eben vor«, sagt Kamille. »Wenn es kommt, dann kommt es plötzlich.«
    Kaoru schnalzt mit der Zunge. »Es reicht. Hör auf, hier sinnlos rumzuquatschen. Macht lieber mal 404 fertig.«
    »Tschuldigung«, sagt Kamille und schlüpft aus dem Büro.
    »Er wollte es machen, aber die Frau hat ihre Periode gekriegt. Deswegen haben sie unterbrochen, er hat sie verprügelt, ihr Geld und ihre Kleider genommen und ist verschwunden«, sagt Kaoru. »Der Kerl hat ein Problem.«
    Mari nickt. »Sie sagt, es tue ihr leid, dass sie die Laken blutig gemacht

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