Afterdark
bilden sich Schwellungen, und wenn das passiert, muss sie ins Krankenhaus.«
»Jedes Mal, wenn sie an frischer Farbe vorbeikommt?«
»Nicht immer, aber manchmal.«
»Manchmal ist ja schon schlimm genug.« Mari streichelt schweigend die Katze. »Und du?«, fragt Takahashi.
»Ob ich Allergien habe?«
Ja.«
»Nein, gar keine«, sagt Mari. »Ich war noch nie krank ... Deswegen ist meine Schwester bei uns zu Hause das Schneewittchen, und ich bin die robuste Schafhirtin aus den Bergen.«
»Weil man in einer Familie keine zwei Schneewittchen braucht.«
Mari nickt.
»Aber eine gesunde Schafhirtin ist auch nicht schlecht. Man lebt, ohne sich um frische Farbe und dergleichen zu kümmern.« Mari sieht Takahashi ins Gesicht. »So einfach ist das nicht.«
»Natürlich ist das nicht so einfach«, sagt Takahashi. »Das weiß ich doch auch ... Ist dir hier zu kalt?«
»Nein, gar nicht.«
Mari bricht noch einen Brocken von ihrem Thunfischsandwich ab und gibt ihn der Katze, die offenbar sehr hungrig ist und ihn gierig verschlingt.
Takahashi zögert einen Moment, ob er davon sprechen soll, doch schließlich entscheidet er sich dafür. »Ehrlich gesagt, einmal habe ich mich länger allein mit deiner Schwester unterhalten.«
Mari sieht ihn an.
»Wann denn?«
»So im April. Abends, als ich mal bei Tower Record was suchen wollte, bin ich davor zufällig mit Eri zusammengestoßen. Ich war allein und sie auch. Eine Weile haben wir uns ganz normal im Stehen unterhalten, aber dann sind wir in ein Cafe in der Nähe gegangen. Zuerst haben wir nur über Belanglosigkeiten geredet, eben wie ehemalige Klassenkameraden, die sich nach längerer Zeit auf der Straße treffen. Wer was jetzt macht und so. Aber als wir dann noch in einer Kneipe etwas getrunken haben, hat sie mir ziemlich persönliche Dinge erzählt. Sie schien eine Menge auf dem Herzen zu haben.«
»Persönliche Dinge?«
»Ja.«
Mari schaut verständnislos drein. »Wieso hat sie ausgerechnet mit dir darüber gesprochen? Ich hatte nicht den Eindruck, dass ihr so eng befreundet seid.«
»Natürlich sind deine Schwester und ich nicht eng befreundet. Ich glaube, das war das erste Mal, dass wir miteinander gesprochen haben, seit wir vor zwei Jahren mit dir in dem Hotel-Schwimmbad waren. Ich weiß nicht mal, ob sie meinen vollständigen Namen kannte.«
Mari schweigt und streichelt weiter die Katze auf ihren Knien.
»Aber damals wollte sie bestimmt einfach mit irgendjemandem reden. Eigentlich würde man so was zwar mit seiner besten Freundin bereden, aber vielleicht hat deine Schwester keine Freundinnen, denen sie ihr Herz ausschütten kann. Stattdessen hat sie sich mich ausgesucht. Zufällig. Jeder andere hätte es auch getan.«
»Aber warum du? Soweit ich weiß, hat es ihr nie an männlichen Freunden gefehlt.«
»Daran hatte sie sicher keinen Mangel.«
»Trotzdem hat sie dir, als sie dich zufällig auf der Straße getroffen hat, persönliche Dinge anvertraut, obwohl du kein enger Freund von ihr bist. Warum?«
»Tja ...« Takahashi denkt einen Moment nach. »Vielleicht weil ich harmlos gewirkt habe.«
»Harmlos?«
»Wie einer, der keine Bedrohung darstellt, auch wenn man ihm sein Herz ausschüttet.«
»Verstehe ich nicht.«
»Also.« Takahashi nuschelt. Anscheinend fällt es ihm schwer, das zu sagen. »Es klingt sicher komisch, aber manchmal werde ich für schwul gehalten. Ich werde auf der Straße von fremden Männern angesprochen, eingeladen und so.«
»Das ist doch nicht wahr?«
»Vielleicht täusche ich mich ... Jedenfalls haben sich mir schon immer viele Leute anvertraut, Männer wie Frauen. Leute, mit denen ich nicht eng befreundet war oder die ich kaum kannte, haben mir die wahnwitzigsten Geheimnisse anvertraut. Warum wohl? Bestimmt nicht, weil ich sie hören wollte.«
Mari verarbeitet im Kopf, was er gesagt hat. »Jedenfalls hat Eri dir etwas anvertraut«, sagt sie dann.
»Ja, persönliche Dinge.«
»Was, zum Beispiel?«, fragt Mari.
»Zum Beispiel ... ja, familiäre Dinge.«
»Familiäre Dinge?«
»Unter anderem«, sagt Takahashi.
»Auch etwas über mich?«
»Ja, schon.«
»Was denn?«
Takahashi überlegt, wie er es ausdrücken soll. »Zum Beispiel ... dass sie dir gern näher kommen würde.«
»Mir näher kommen?«
»Sie hatte das Gefühl, dass du bewusst eine Distanz zwischen euch wahrst. Immer schon, von einem bestimmten Alter an.«
Mari legt sanft die Hände um die Katze und spürt ihre weiche Wärme.
»Aber Menschen können sich doch
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