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Agent 6

Titel: Agent 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Rob Smith
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mit uns vor? Haben sie etwas gesagt?
    Nara schüttelte den Kopf.
    – Sie reden nur ganz wenig. Bis jetzt haben sie uns ja ganz gut behandelt. Sie haben uns Essen gegeben und das Mandelöl für die Salbe.
    – Und Fahad Mohammad?
    Nara deutete auf die Höhlen.
    – Er ist hier. Weiter hinein durften wir nicht gehen. Als wir angekommen sind, haben sie uns eine Decke gegeben und gesagt, wir sollen kein Feuer anzünden. Sie hatten Angst, man könnte es sehen.
    – Und Zabi? Wie geht es ihr?
    Unsicher antwortete Nara:
    – Sie ist durcheinander …
    Leo unterbrach sie.
    – Ich meine: Ist sie stark genug, um zu laufen?
    Leo blickte den Bergpfad hinunter, um ihre Position und Höhe abzuschätzen. Ein Mann mit einem Bergpony stieg den Weg zu ihnen herauf. Das Pony war so beladen, dass es vor Anstrengung schnaubte. Nara verwirrte seine Frage.
    – Wohin sollte sie denn laufen?
    – Wir müssen von hier weg.
    – Du willst fliehen?
    – Ja.
    – Was glaubst du denn, wie weit wir kommen? Sie kennen alle Wege. Sie kennen jedes Dorf zwischen hier und Pakistan. Wir hätten keine Chance. Was glaubst du, warum sie uns nicht bewachen oder uns gefesselt haben?
    – Ich habe schon früher schwierige Strecken zurückgelegt. Aber ich gehe nicht ohne euch.
    – Ich habe keine Ahnung, was du früher gemacht hast. Aber das hier ist mein Land. Du musst mir glauben. Ich habe keine Angst zu sterben, aber was du vorschlägst, ist unmöglich.
    Bevor Leo weitere Argumente hervorbringen konnte, trat eine Gruppe Mudschaheddin aus der Höhle. Unter ihnen war der groß gewachsene Fahad Mohammad. Es schien ihn nicht zu stören, dass Leo und Nara die Höhle verlassen hatten.
    – Wir haben eine jirga einberufen.
    Eine jirga war ein Rat, eine Versammlung von Ältesten, um Entscheidungen zu treffen. Leo fragte:
    – Und ich soll vor ihr erscheinen?
    – Ihr sollt alle drei vor ihr erscheinen. Kommt mit.
    Als Leo zum ersten Mal tiefer in das Höhlensystem eindrang, war er davon beeindruckt, wie weit es ausgearbeitet war. Weiter hinten führten Holzstufen gute zehn Meter hinunter zu einem unebenen Durchlass, einem schmalen Gang, der mit Dynamit in den Felsen gesprengt war und jetzt mit Gerüsten gestützt wurde. Auf beiden Seiten wurden große Vorräte an Munition und Lebensmitteln in unterschiedlich großen Höhlen gelagert. Am Ende des Gangs führten weitere Stufen in eine riesige, natürliche Felsenhöhle hinunter, die aussah, als wäre bei der Erschaffung dieser Berge eine gigantische Luftblase eingeschlossen worden. Ein Gebirgsbach floss durch die Höhle, die Luft war kühl und feucht. Irgendwo musste eine natürliche Luftzufuhr existieren, denn sie waren zu tief im Berg, als dass die Luft vom Höhleneingang gereicht hätte. Der Stützpunkt verband auf imponierende Weise natürliche Gegebenheiten und künstliche Veränderungen, hier konnten tief im Berg Menschen wohnen, mit Tausenden Metern Fels und Schnee als Schutz über ihnen.
    Leo zählte sechs Männer, die auf dem Boden saßen. Wie der Ältestenrat in einem Dorf trugen sie keine Uniformen. Neben ihnen lagen unterschiedliche Waffen, einige hatten Pistolen, die so alt aussahen, dass sie eher wie Sinnbilder für den Krieg wirkten, nicht wie funktionierende Waffen, andere hatten Gewehre neben sich. Sie saßen in der typischen Körperhaltung da, hatten die Beine untergeschlagenen und die Körper unter dicken pattu verborgen, unter Decken, die sie wie Samenkapseln umhüllten. Beleuchtet wurde die Höhle mit elektrischem Licht, um die Luft nicht durch brennende Fackeln zu verpesten. Ein Netz aus Kabeln verlief über den Höhlenboden bis zu Batterien – die Männer lebten im Dämmerlicht, beinahe wie Fledermäuse, und Leo musste sich erst daran gewöhnen, bevor er ihre Gesichter erkennen konnte. Er wurde als Erster vor sie geführt, während man Nara und Zabi am Eingang der kuppelartigen Höhle zurückhielt. Der Mann in der Mitte des Rats, offenbar der Anführer, stand auf.
    – Die khareji haben drei Tage lang das Tal bombardiert und auf jeden geschossen, der die Wege benutzt hat. Sie haben Hunderte von Soldaten losgeschickt, um dich zu suchen. Du bist für sie wertvoll. Erklär uns das.
    Khareji war eine Bezeichnung für Fremde, und der Afghane hatte das Wort voller Verachtung ausgesprochen. Leo war nicht sicher, warum die Sowjets so viele Truppen in das Tal geschickt hatten, aber unter diesen Umständen hielt er es für sinnvoll, sich als wichtig auszugeben. Er

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