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Agent 6

Titel: Agent 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Rob Smith
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antwortete:
    – Ich bin kein Soldat. Ich habe in diesem Land noch nie einen Schuss abgefeuert. Ich bin ein Berater. In Afghanistan bin ich schon seit vielen Jahren, länger als jeder andere Berater. Ich weiß mehr über sowjetische Interessen in diesem Land als jeder andere. Ich habe Berichte an den Kreml geschrieben …
    Ein Mann unterbrach ihn:
    – Was stand in diesen Berichten?
    – Einschätzungen über viele verschiedene Dinge, unter anderem habe ich empfohlen, dass sie nicht in dieses Land einmarschieren sollen.
    – Sie haben deinen Rat ignoriert. Also kannst du nicht wichtig sein.
    – Auf einige Ratschläge haben sie gehört. Viele wurden ignoriert.
    Der Rat diskutierte mit gedämpften Stimmen. Schließlich sagte der Anführer:
    – Es ist so, wie wir dachten. Du gibst eine wertvolle Geisel ab. Es war richtig von Fahad Mohammad, dich am Leben zu lassen.
    Er scheuchte Leo mit einer Geste zur Seite und deutete auf Zabi.
    – Wir haben beschlossen, dass sich ein Junge als einziger Überlebender aus dem Dorf Sokh Rot ausgeben soll. Das Wunder, dass du überlebt hast, kann für uns von Nutzen sein. Man hat uns gesagt, dass diese Geschichte für viele eine große Inspiration ist. Wir schicken dich weit weg. Du bekommst ein neues Zuhause, wo du vor den Sowjets in Sicherheit bist.
    Dann deutete er auf Nara.
    – Und als Letztes zu der Frau. Sie ist eine Verräterin. Sie ist schlimmer als ein khareji. Sie ist eine Afghanin, aber eine Sklavin der Besatzungsmacht, eine Mörderin. Sie wird hingerichtet. Das Urteil wird sofort vollstreckt.

Am selben Tag
    Es fand keine Diskussion statt. Die Urteile waren gefällt, und bevor Leo auch nur widersprechen konnte, waren die Ältesten schon aufgestanden. Nara wurde von Soldaten weggeschleift. Leo wollte ihnen folgen, aber ein junger Mann, dessen Gesicht beinahe völlig verhüllt war, versperrte ihm den Weg. Nara und Zabi wurden aus der Höhle gebracht. Hilflos sah Leo zu, wie die Ältesten die Stufen hinaufgingen. Er rief ihnen nach:
    – Wartet!
    Ohne ihn zu beachten, verließen sie nacheinander die Höhle. Leo rief:
    – Sie könnte euch noch nutzen!
    Das letzte Ratsmitglied blieb auf der Treppe stehen.
    – Sie nutzt uns, wenn sie tot ist, als Symbol dafür, was mit Afghanen passiert, die ihr Land verraten.
    Der Älteste winkte einer Wache.
    – Nimm ihn mit. Er kann zusehen.
    Der Soldat wartete, bis sie allein in der Höhle waren, bevor er Leo die Stufen hinaufgehen ließ. Ungeduldig versuchte Leo, vom Ende der Gruppe weiter nach vorne zu kommen, aber die Männer vor ihm ließen sich nicht drängen.
    Als Leo schließlich den Höhleneingang erreichte, sah er, dass die Hinrichtung bereits vorbereitet wurde. Nara war an Händen und Füßen gefesselt. Ein Seil wurde ihr um die Handgelenke geschlungen und an dem Geschirr des struppigen Ponys befestigt, das er vorher gesehen hatte. Das Tier war nicht zum Schleppen der Vorräte da, wie Leo vermutet hatte. Es war für die Hinrichtung heraufgebracht worden. Unruhig von dem Spektakel stand es im Höhleneingang, stampfte auf den staubigen Boden und schnaubte. Nara sollte zu Tode geschleift werden.
    Zabi stand vorne in der Menge, sei es aus Zufall oder aus Absicht. Sie sollte zusehen, genau wie die etwa fünfzig Soldaten, die sich für das Schauspiel eingefunden hatten. Leo drängte nach vorn. Jemand legte auf ihn an und warnte ihn, er solle zurückbleiben. Er rief dem Ältestenrat zu:
    – Ich habe einen Vorschlag!
    Der Anführer schüttelte den Kopf.
    – Glaubst du, wir wären grausam? Wie behandeln die Kommunisten ihre Feinde? Sie foltern sie. Sie erschießen sie. Tausende von Afghanen sind gestorben. Zigtausend weitere werden noch sterben. Eure Soldaten ermorden unschuldige Familien, um einen einzigen Kämpfer zu töten. Du kannst nichts zu ihrer Verteidigung sagen. Es gibt keine Verteidigung. Sie ist eine Verräterin. Hier gibt es keinen Handel. Du kannst uns nichts vorschlagen, was uns interessieren würde.
    Einer der Ältesten versetzte dem Pony einen Schlag auf die Flanke, und es setzte sich in Bewegung. Nara wurde von den Füßen gerissen, sie fiel zu Boden und schnitt sich das Gesicht auf dem Höhlenboden auf. Sie konnte nicht einmal schreien, weil sie geknebelt war. Leo rief, so laut er konnte:
    – Für wie viele Waffen lasst ihr sie leben?
    Das Pony lief schneller, es wurde von den anderen Männern angetrieben. Nara wurde aus der Höhle und über den rauen Sandweg geschleift, Dreck verstopfte ihr die

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