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Agent 6

Titel: Agent 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Rob Smith
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Kopf.
    – Das ist ja gerade mein Problem. Niemand will etwas sagen. Die Leute haben ihn nicht vergessen, aber sie wollen nicht über ihn reden.
    Sie meinte nur:
    – Vielleicht gibt es dafür einen Grund.
    Leo war nicht in der rechten Stimmung für Zugeständnisse.
    – Es gibt auch einen guten Grund dafür, dass ich eine Antwort von ihnen haben will.
    Als sie die Straße entlanggingen, deutete Leo auf einen heruntergekommenen Eisenwarenladen, ein altmodisches, marodes Gebäude. Das Schaufenster war vollgestopft und dunkel. Nara sah ihn an.
    – Woher weißt du, dass das der Laden ist?
    – Ich weiß es nicht.
    Dann zeigte er auf ein handgemaltes Schild: Familienbetrieb seit dreißig Jahren!
    Als sie die Tür öffneten, klingelte über ihnen ein kleines Bronzeglöckchen. Es roch muffig, die Theke war verstaubt. In dem Laden herrschte ein ziemliches Durcheinander. An der Wand hinter der Kasse waren Kunststoffregale mit allerlei Krimskrams, Schrauben und Muttern, Nägeln und Scharnieren vollgestopft, ein Gestell mit Schubfächern reichte bis unter die Decke.
    Der Besitzer, ein junger Mann Anfang dreißig, kam mit einer Lesebrille auf der Nasenspitze aus dem Hinterzimmer und musterte seine ungewöhnlichen Kunden. Sein Blick blieb an Leo hängen und wurde unfreundlich.
    – Waren Sie nicht schon mal hier?
    Nara trat vor und sprach ihn in fließendem Englisch an. Das hatte sie schon zu Hause mit Leo abgeklärt.
    – Wir suchen Informationen über einen berühmten Sänger, der früher in der Nähe gelebt hat. Er hieß Jesse Austin.
    Als der Mann den Namen hörte, nahm er seine Brille ab und legte sie auf den Tresen.
    – Genau, Sie hatten nach Jesse Austin gefragt. Was wollen Sie überhaupt?
    – Ich heiße Leo Demidow.
    Verlegen wegen seiner schlechten Sprachkennnisse wandte er sich an Nara. Sie fügte hinzu:
    – Ich heiße Nara Mir. Leo ist ein Freund von mir. Er hat Jesse Austin vor langer Zeit kennengelernt. Wir möchten etwas über ihn wissen.
    Der Mann musterte Leo und sagte:
    – Sie kannten Jesse Austin? Das glaube ich nicht.
    – Es stimmt.
    – Sie sind nicht aus New York, oder?
    Leo schüttelte den Kopf.
    – Ich komme aus Russland.
    – Russland? Und Sie kannten Jesse?
    – Ja, aus Moskau.
    – Sie haben ihn in Moskau getroffen?
    Der Ladenbesitzer münzte alles, was Leo sagte, in eine Frage um, und Leo wusste nicht, wie er darauf reagieren sollte. Der Mann wandte sich an Nara.
    – Und wer sind Sie? Seine Dolmetscherin?
    – Eine Freundin.
    – Was wollen Sie zwei?
    Leo sagte auf Dari zu Nara:
    – Ich will wissen, wie Jesse Austin gestorben ist, die Wahrheit, nicht, was in den Zeitungen stand.
    Während Nara übersetzte, beobachtete Leo die Reaktion des Ladenbesitzers. Er schüttelte den Kopf und wollte sie in Richtung Tür scheuchen.
    – Ich weiß gar nichts. Jetzt verschwinden Sie. Das ist mein Ernst. Belästigen Sie mich nie wieder. Das hier ist ein Geschäft. Wenn Sie etwas kaufen wollen …
    Bevor der Ladenbesitzer im Hinterzimmer verschwinden konnte, rief Leo auf gut Glück:
    – Ihr Vater kannte Jesse Austin.
    Der Mann drehte sich abrupt um und starrte Leo vorwurfsvoll an, er war plötzlich wütend geworden.
    – Woher kennen Sie meinen Vater? Wieso ziehen Sie ihn da rein? Darauf will ich eine gute Antwort hören.
    Leo antwortete über Nara:
    – Ihr Vater war an dem Tag bei Jesse Austin, an dem er erschossen wurde. Er hat eine junge Russin zu Austin in die Wohnung gebracht. Die beiden Männer haben gestritten.
    Der Ladenbesitzer war verblüfft. Als er sich halbwegs gefasst hatte, fragte er:
    – Was wollen Sie?
    Leo spürte, dass er Fortschritte machte, und nutzte das sofort aus.
    – In den Zeitungen stand, eine Russin hätte Jesse Austin erschossen. Sie behaupten, diese Russin hätte Raisa Demidowa geheißen. Die Zeitungen irren sich. Sie hat ihn nicht getötet. Das ist eine Lüge.
    Er setzte alles auf eine Karte.
    – Ihr Vater wusste, dass es eine Lüge war.
    Nachdem der Mann die Übersetzung gehört hatte, fragte er Leo:
    – Und woher wollen Sie das wissen?
    Den Satz hatte Leo auf Englisch gelernt.
    – Raisa war meine Frau.

Harlem
Bradhurst
Eighth Avenue & West 139th Street
Nelson’s Restaurant
Am selben Tag
    Der Mann, den Elena in ihrem Tagebuch als Nummer 111 bezeichnet hatte, hieß Tom Fluker. Er war verstorben, und jetzt führte sein Sohn William den Eisenwarenladen, genau wie Leo vermutet hatte. Nachdem sie einen gewissen Grad an Vertrauen erreicht hatten,

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