Agent der Sterne
Brieftasche und legte ein paar Zwanziger hin.
»Ich habe noch gar kein Dessert bestellt.«
»Du hättest es sowieso nicht gegessen. Ich möchte, dass du mit mir kommst – ich habe eine Idee.«
Gegenüber vom Mondo Chicken gab es einen Laden von Barnes & Noble. Wir gingen hinein.
»Was tun wir hier?«, fragte Michelle.
»Wir decken uns mit Hintergrundmaterial ein«, sagte ich und setzte sie auf einen Stuhl, während ich einkaufen ging. Ich suchte Bücher von Hannah Arendt, Primo Levi, Ehe Wiesel und Simon Wiesenthal zusammen. Ich schnappte mir Hitlers willige Vollstrecker, Leugnen des Holocaust, Shoah und Der Krieg als Kreuzzug. Ich ging in die Comic-Abteilung und stöberte zwischen den kostümierten Superhelden, bis ich Maus fand. Auf dem Weg durch die Belletristik-Abteilung entdeckte ich Sophies Entscheidung und nahm es mit. Konnte nicht schaden.
Ich machte mir keine Illusionen. Diese Bücher waren selbst für Uni-Studenten schwer verdaulich, ganz zu schweigen von Michelle, die im intellektuellen Boxring bestenfalls in der Mittelgewichtsklasse antreten konnte. Nicht einmal ansatzweise konnte ich mir vorstellen, wie sie mit der Idee der »Banalität des Bösen« zurechtkommen würde. Aber wir hatten im Mondo Chicken gegessen, und das hatte etwas zu bedeuten. Ich wusste nicht, ob sie es überleben würde, sich durch all diese Bücher zu kämpfen. Aber wer weiß? Vielleicht blieb etwas hängen. Man hatte schon Pferde kotzen sehen.
Zwanzig Minuten später standen wir an der Kasse, wo ein mächtig beeindruckter Verkäufer unseren Bücherstapel einscannte.
»Soll ich die etwa alle lesen?«, fragte Michelle.
»Versuch es«, sagte ich. »Fang mit Maus oder Sophies Entscheidung an.Überzeuge mich, dass du es ernst meinst, indem du ein paar davon liest, und dann tue ich alles, was in meiner Macht steht, um dir diese Rolle zu verschaffen. Ist das ein fairer Deal?«
Michelle juchzte wie die Cheerleaderin, die sie war, umarmte mich und drückte mir einen dicken Kuss auf die Wange. Der Verkäufer wäre vor Neid fast in Ohnmacht gefallen.
7
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»Als ich sagte, dass ich mal nach draußen will, hatte ich mir eigentlich etwas anderes vorgestellt«, bemerkte Joshua.
Joshua, Ralph und ich standen am Ufer des Stausees im Big Dalton Canyon, einem winzigen, abgelegenen Teich im Vorgebirge. Es war ein Wochentag, also würde man hier wahrscheinlich tagsüber keine Menschenseele antreffen. Ich hatte eine Angelrute mitgenommen. Ich wusste nicht, ob man Fische im Stausee ausgesetzt hatte, aber ich dachte mir, dass der heutige Tag genauso gut wie jeder andere war, um es herauszufinden.
»Was hattest du dir vorgestellt, Joshua?«, fragte ich.
»Ich weiß nicht.« Zaghaft hatte er ein Pseudopodium ins Wasser gestreckt, als wollte er prüfen, wie kalt es war. »Eher hatte ich an so etwas wie ein Autokino gedacht.«
»Drüben in Azusa gibt es eines«, sagte ich. »Aber ich weiß nicht, ob dort noch Filme gezeigt werden. Ich glaube, jetzt ist es ein großer Flohmarkt.«
Joshua ließ sich schließlich ganz ins Wasser gleiten und schwebte wie eine Ölpfütze auf der Oberfläche. »Lass es uns trotzdem versuchen. Und besorg einen großen Eimer Popcorn. Damit uns vom künstlichen Buttergeschmack so richtig schlecht wird.«
Ich warf die Angelleine in den Stausee. »Als würdest du dich mit künstlichem Buttergeschmack auskennen.«
»Ich bin offen für jede neue Erfahrung. Noch nie habe ich mich übergeben. Es könnte ein Riesenspaß werden. Fahren wir?«
»Klar. Aber wir sollten bis zum Anbruch der Dunkelheit warten. Ich möchte nicht, dass irgendwer dich sieht.«
»Wenn ich es richtig verstanden habe, gehen die Leute gar nicht wegen der Filme ins Autokino«, sagte Joshua. »Und wenn sie schon den Film nicht sehen, wie groß ist dann die Wahrscheinlichkeit, dass sie uns sehen?«
Ralph, der am Ufer hin und her gelaufen war, bellte nun Joshua an. Joshua erzitterte kurz, dann schoss er Ralph einen Wasserstrahl entgegen, der ihn volle Breitseite traf. Ralph bäumte sich ein wenig auf, bellte erneut und sprang dann ins Wasser, um sich auf Joshua zu stürzen. Mehrere Minuten lang rauften sie sich und planschten herum. So glücklich hatte ich Ralph schon seit Jahren nicht mehr gesehen.
Ralph und Joshua hatten sich bereits Anfang der Woche miteinander angefreundet. Am Tag, als ich Tea im Büro zusammengestaucht hatte, war ich nach dem Öffnen meiner Haustür auf Joshua und Ralph gestoßen, die mit einem meiner Oberhemden ein Tauziehen
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