Agent der Sterne
Filmrollen gewesen, die gleichzeitige Beerdigung ihrer Eltern, die bei einem Autounfall gestorben waren, drei Verlobungen (und die entsprechenden Entlobungen), zwei religiöse Erleuchtungen und eine Einschläferung eines Haustiers. Wir teilten viele Erinnerungen miteinander, die sich allesamt in diesem bescheidenen, überteuerten Restaurant drängten. Die Tatsache, dass Michelle entschieden hatte, hier mit mir über Bittere Erinnerungen zu sprechen, war ein sehr schlechtes Zeichen. Es bedeutete, dass sie wild entschlossen war und ich kaum etwas tun konnte, um sie davon abzubringen.
Aber natürlich musste ich es versuchen. »Das Casting für Bittere Erinnerungen ist längst abgeschlossen, Michelle. Ellen Merlow hat den Vertrag für die Rolle unterschrieben.«
»Noch nicht«, widersprach sie. »Ich habe angerufen. Bislang ist es nur eine mündliche Abmachung. Ich glaube, ich kann die Leute dazu bringen, sich die Sache noch einmal zu überlegen.«
»Indem du dir das Haar färbst?«
»Das wäre der erste Schritt«, sagte Michelle. »Ich meine, es wäre zumindest ein Zeichen meiner Ernsthaftigkeit. Und wenn ich mehr Ähnlichkeit mit der Rolle habe, können sie sich vielleicht besser vorstellen, dass ich sie spielen kann. Braunes Haar würde mir ein völlig anderes Aussehen geben.« Erneut stach sie mit der Gabel in ihren Salat.
Ich legte meine Gabel ab und massierte mir den Nasenrücken. »Michelle«, sagte ich, »auch wenn du braunes Haar hättest, würdest du immer noch nicht wie eine vierzigjährige Jüdin aus Osteuropa aussehen. Du würdest aussehen wie eine fünfundzwanzigjährige Arierin aus Kalifornien, die sich das Haar braun gefärbt hat. Schau in den Spiegel, Michelle. Du bist blond. Naturblond. Du hast Paul-Newman-blaue Augen. Und du hast eine Figur, die vor den Neunzigerjahren noch gar nicht erfunden war.«
»Ich könnte ein bisschen zunehmen«, sagte sie.
»Du bekommst panische Kotzanfälle, wenn du ein Dessert isst.«
»Damit habe ich schon vor langer Zeit aufgehört, und das weißt du ganz genau«, sagte Michelle. »Das war unfair von dir.«
»Du hast Recht. Tut mir leid.«
Michelle entspannte sich. »Heute werde ich einen Nachtisch bestellen. Ich glaube, sie haben hier fettfreien Joghurt auf der Speisekarte.«
»Es geht nicht nur darum, wie du aussiehst, Michelle. Versteh mich nicht falsch, aber du bist einfach noch nicht für eine solche Rolle bereit. So etwas kann nur eine deutlich ältere Frau spielen.«
Michelle richtete ihre Gabel auf mich. »Auch Summertime Blues war ursprünglich für eine ältere Schauspielerin gedacht, weißt du noch? Als wir die erste Drehbuchfassung erhielten, war darin eine dreißigjährige Frau beschrieben, die diese beiden jugendlichen Brüder verführen sollte. Als ich die Rolle bekam, wurde daraus eine zweiundzwanzigjährige Frau gemacht. Dazu sind Drehbuchüberarbeitungen da, hast du gesagt.«
»Summertime Blues war eine Komödie über zwei Jungs, die ihre Unschuld verlieren«, sagte ich. »In Bittere Erinnerungen geht es um Antisemitismus und den Tod von sechs Millionen Menschen. Auch dir müsste klar sein, dass es da einen kleinen Unterschied in der Tonart gibt.«
»Natürlich«, sagte Michelle. »Aber ich verstehe nicht, was das mit der Hauptfigur zu tun hat.«
Ich seufzte. »Lass mich versuchen, es dir auf andere Weise zu erklären. Warum bist du so wild auf diese Rolle?«
Michelle sah mich irritiert an. »Wie meinst du das?«
»Ich meine, was hat diese Rolle, dass du dich so leidenschaftlich dafür einsetzt? Was fasziniert dich daran so sehr?«
»Es ist eine große Rolle, Tom. Sie ist ungemein dramatisch und voller Gefühle. So etwas will ich unbedingt machen. Du weißt schon, etwas mit emotionaler Tiefe. Ich finde, es wird Zeit, dass Hollywood mich endlich ernst nimmt.«
»Gut. Wie viel weißt du über den Holocaust?«
»Eine ganze Menge«, sagte Michelle. »Wie kann jemand nichts darüber wissen? Es war schrecklich, das weiß doch jeder. Ich habe Schindlers Liste gesehen und geweint.«
»Okay, bei Schindlers Liste zu weinen ist immerhin ein Anfang. Sonst noch etwas?«
»Ich habe vor, in dieses Museum hier in L.A. zu gehen«, sagte sie. »Ich habe vergessen, wie es genau heißt. Irgendwas mit Simon. Das Norton Simon?«
»Das Simon Wiesenthal Center«, sagte ich. »Das Norton Simon ist ein Kunstmuseum.«
»Ich wusste, dass es eins von den beiden ist.«
»Hast du jemals den Gedichtband gelesen, den ich dir gegeben habe?«
»Von diesem
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