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Agenten kennen kein Pardon

Agenten kennen kein Pardon

Titel: Agenten kennen kein Pardon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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inneren Widerstand, er zeigte ihr, wie ernst es um sie stand und wie deutlich Ralf sein Schicksal kannte. »Geh, Mabel!« sagte er. »Schlage dich allein durch. Ich halte es hier aus, bis du mich holen kommst.«
    Sie schluckte. »Und wenn … wenn … wenn du …« Sie wagte nicht, die Worte weiter auszusprechen. Sie wandte sich ab und begann, haltlos zu weinen.
    Dr. Bouth legte den Arm um sie. »Ich habe alles hier, Mabel. Ein Bach, an dem ich trinken und mich waschen kann, eine windgeschützte Felsennische für die Nacht … es sind doch nur wenige Stunden, die wir getrennt werden und in denen du mir die Rettung bringst.«
    Sie nickte schwach. Es muß sein, dachte sie. Er hat ja recht, ich habe immer an diese Möglichkeit gedacht, und es schien mir Feigheit und gemein, ihn allein zu lassen. Ich werde rennen, so schnell ich kann, ich werde den ersten Menschen, den ich treffe, zu ihm hetzen, ich werde den ganzen Ort Evanston zusammenschreien und ihn mit Fackeln suchen.
    Mit Fackeln. Sie sprang plötzlich auf und rannte in den nahen Wald. Dr. Bouth blickte ihr erstaunt nach. Dann kam sie wieder zurück … Reisig im Arm, Holzstücke, Wurzeln und trockene Rinden. Sie schichtete neben Dr. Bouth einen großen Haufen auf … immer wieder rannte sie in den Wald und brachte neue Arme voll Holz.
    »Du mußt es anzünden«, sagte sie mit fliegendem Atem, während sie die Zweige aufschüttete. »Du mußt eine hohe Flamme machen. Wir können sie dann von weitem sehen und suchen im Dunkeln nicht vergeblich nach dir.«
    »Du willst allein gehen, Mabel?« rief er froh.
    »Ja, Ralf.« Sie legte ihm die Decken zurecht, die Zündhölzer, die sie wegen der Feuchtigkeit, die der Abend vielleicht mit sich brachte, in ein Stück Nylon packte, sie holte aus dem nahen Bach den Deckeltopf voll Wasser und stellte ihn neben Ralf, sie bettete seinen Kopf auf den Rucksack und legte die beiden geladenen Revolver griffbereit an seine Seite.
    Plötzlich fiel sie auf die Knie und küßte ihn. Über ihr Gesicht rannen die Tränen. Wild umklammerte sie ihn, als wolle ein Unsichtbarer ihn ihr entreißen.
    »Ralf …«, schluchzte sie. »Ralf … ich will dich wiedersehen!«
    »Ich werde warten, Mabel.« Er strich über die zuckenden Schultern und das schmutzige, verfilzte blonde Haar.
    »Du wirst nicht versuchen, allein zu gehen!«
    »Nein, Mabel.«
    »Versprich es mir.«
    »Ich verspreche es. Ich bleibe hier, bis du mich holen kommst.«
    »Und wenn mir etwas geschieht und du wartest und wartest …« Entsetzliche Angst schwang in ihrer Stimme. Dr. Bouth sah ihr in die Augen.
    »Ich werde bis zum Abend des nächsten Tages warten«, sagte er fest. »Bist du nicht gekommen und ich kann aus eigener Kraft nicht weiter … dann …« Er blickte zur Seite. Dort lagen die Revolver. Lehmverschmiert, unansehnlich, aber scharf geladen. Mabel verstand seinen Blick und sank an seine Brust.
    Stumm vergingen die Minuten. Ich höre wieder sein Herz, durchrann es sie. Es schlägt so laut, und es wird nicht mehr schlagen, wenn ich versage … wenn er hier bleibt ohne Rettung und Hoffnung.
    Mit einem Ruck riß sie sich los und rannte in den Wald hinein. Nicht umdrehen, schrie es in ihr. Blick nicht zurück, wie er dir nachschaut … nein, dreh dich nicht um … du kannst dann nicht weiter … du versagst dann … laufe … laufe … denke an nichts, als an das Laufen … Deine Füße werden ihn retten, dein Herz, deine Kraft. Jetzt mußt du durchhalten … es geht um ein Leben …
    Wie lange sie, ohne anzuhalten, lief, wußte sie nachher nicht mehr zu sagen. Sie fühlte grauenhafte Stiche in der Brust und preßte beide Hände an das Herz, als könne sie es festhalten, wenn es versagte, als müsse sie es schützen und bitten, nicht auszusetzen. Sie stolperte über Wurzeln und Steine, glitt einen Abhang hinunter und fiel in eine schmale Grube, die Fallensteller für das Wild quer durch einen Hohlweg gezogen hatten.
    Aber die Beine rannten, trugen den schwachen, ausgezehrten Körper weiter, getrieben von der Angst und der Verantwortung, die in ihrer Ausdauer lagen.
    Gegen Mittag – die Sonne stand fast senkrecht über den Bergen – warf sie sich an einem Bach ins Gras und schloß die Augen. Sie trank in gierigen Zügen das eiskalte, an den Steinen und im Bergkies gereinigte Wasser und kühlte die wundgelaufenen Fußsohlen in den schwachen Wellen. Sie dämmerte in einen kurzen Erschöpfungsschlaf hinüber, aus dem sie emporschreckte, als ein fernes Brummen an ihr Ohr

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