Agenten - Roman
fragte ich höflich. »Ich arbeite gleich nebenan.«
»Ich unterrichte nicht, ich intoniere. Die Intonation ist entscheidend im Griechischen«, erwiderte Dreisen. »Welches Fach studieren denn Sie?«
»Mein Bruder ist bei der Zeitung«, mischte Sarah sich ein.
Dreisen merkte auf, plötzlich bekam sein verschwitztes, bleiches Gesicht etwas Waches.
»Sind Sie hier in Wiesbaden tätig? Auf welchem Sektor?«
»Kultur«, antwortete ich, »Kultur im weitesten Sinn.«
»Interessant«, meinte Dreisen.
»Finde ich auch«, sagte ich, »Sie haben sicher Verständnis für meine Lage. Manchmal eilt ein Artikel, und da steht Nachtarbeit an.«
»Eile ist mir eigentlich fremd«, erwiderte Dreisen, »in unserem Fach ist Eile geradezu eine Sünde.«
»Gut«, sagte ich, »intonieren Sie langsam, aber eine Spur weniger stark.«
»Ich werd es versuchen«, lächelte Dreisen, »doch wenn es mich packt, ist aller Wille vergebens.«
»Sarah, wie war das«, wandte ich mich an meine Schwester, »war der Wille bei deinen Griechen so kraftlos?«
»Wir machen weiter«, sagte Sarah, »ganz wie bisher.«
»Zum Pinkeln geht es da drüben«, wies ich Dreisen an,
»lassen Sie Ihren Wasserfall sprudeln, vielleicht erleichtert das Ihren inneren Druck.«
»Auf ordinäres Gerede reagiere ich ziemlich verbockt«, antwortete er.
»Dann bocken Sie weiter, Sie griechischer Faun«, schloß ich ab, »das nächste Mal nur mit meiner Erlaubnis!«
Ich verschwand in mein Zimmer, um meine Unterlagen zu holen. Ich wollte die Wohnung verlassen, als Sarah mich noch einmal aufhielt.
»Du hast ihn vor den Kopf gestoßen«, flüsterte sie hitzig.
»Der Bocksbeutel verträgt das schon«, sagte ich.
»Wie kannst du nur so widerlich gegen meine Freunde sein?«
»Der ist dein Freund? Dieses molluske Gebilde?«
»Er hilft uns, er hat es nicht nötig.«
»Was der nötig hat«, sagte ich, »erklär ich dir später einmal!«
In Zukunft mußte Sarah mich benachrichtigen, wenn sie ihren Club einladen wollte. Ich konnte ihr nichts verbieten, obwohl ich sie gern von Dreisen abgebracht hätte. Er besaß eine infame Selbstgefälligkeit, und ich ahnte den Spott, mit dem er meine Arbeit in meiner Abwesenheit behandeln würde. Typen wie er waren unfruchtbare Narzisse, was ihre Wissenschaft, nicht was ihre Schönheit betraf. Sie machten leicht großen Eindruck, ihre Verblasenheit förderte das, und ich konnte nur hoffen, daß auch Sarah diesen Dunst bald durchschaute. Seit meiner Begegnung mit Dreisen zog sie sich noch mehr von mir zurück; morgens machte ich mir meinen Kaffee nun allein, Sarah rührte sich nicht, ich gehörte nicht mehr in ihre Nähe.
»Männie, wie stehn unsre Aktien?«
»Schmahl macht neuerdings Stunk, ich glaube, er schaut jetzt voll durch.«
»Du meinst, die Hintergründe der Serie sind ihm bekannt?«
»Klar, so doof ist Schmahl nun auch wieder nicht.«
»Und was sagt er dazu?«
»Nichts, er meinte nur kürzlich, ich könnte die Flaschenpost einmal ankurbeln.«
»Noch mehr Wein?! Sechs Flaschen sind reichlich. Außerdem läuft die Serie bald aus.«
»Du meinst, er hält still?«
»Klar, der ist feige, und er braucht seinen Wein.«
»Von anderer Seite soll er auch was bekommen.«
»Was bekommt er? Von wem?«
»Neulich zog er mit einer Packung Piccolo auf und davon. Sowas kauft der sich nie.«
»Piccolo , mein Gott! Bring heraus, wo er die her hat!«
»Ich setz ihn mal unter Druck, da wird ihm sein Mainzer Gelächter vergehen«, sagte Männie.
»Aber mit Vorsicht, sonst fällt er uns noch in den Rücken.«
»Wenn ich nur ahnte, was er sich denkt. Du kennst ihn, sein Gerede besteht nur aus Andeutungen.«
»Das war immer so, das sind diese rheinischen Possen. Wie wär’s, wir gehen mal einen trinken mit ihm?«
»Der säuft dich in Sack und Asche, für das härteste Zeug
hat der immer als Letzter ne Lücke.«
»Wir halten uns stilvoll zurück…«
»Wenn er das merkt, will er nur Sprudel.«
»Dann weiß ich auch nicht mehr weiter.«
»Aber ich! Ich quetsch ihn mal in die Ecke.«
»Und wie willst du vorgehn?«
»Ich frag ihn, ob er deine Serie gelesen hat. Und dann sag ich, es säh fast so aus, als ob du von meinen Eskapaden erfahren hättest. Und dann spitz ich es zu und frage ihn, ob er gequatscht habe. Von mir , sage ich ihm, von mir hat er jedenfalls nichts!«
»Männie, das ist zu gewagt!«
»Ach was, das ist die einzige Lösung. Ich hab ihm ja immer erzählen müssen von meinen Geschichten, er war doch so geil
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