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Agenten - Roman

Agenten - Roman

Titel: Agenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Fremdsprachensekretärin und bei Übersetzungsproblemen behilflich; Renate war an einen Musikverlag geraten und versorgte Männie mit Noten und poppigen Postern; Thea half in einem Weinladen aus, wußte jedoch, was die Sorten betraf, nur oberflächlich Bescheid. Sie alle kannten sich flüchtig, in Berührung gekommen bei einer der unzähligen Gelegenheiten, die die Kreise vermischten. Jede von ihnen war mir aus anderen Gründen sympathisch, und es gab nicht die Spur eines Musters, das zumindest auf einige anwendbar gewesen wäre. Selbst die Gespräche waren so unterschiedlich, daß ich nie in Verlegenheiten geriet. Die Hauptsache war, daß keiner in meiner Gegenwart mulmig zumute war; ich verlangte von ihnen nur die Fähigkeit, ihre Lust an diesem und jenem auch mit mir zu teilen, freudig, großzügig, ohne mickrige Nebengedanken. Zu zweit zogen wir los, mal weit, den Rhein abwärts entlang oder über die flachen Ebenen südlich von Mainz, mal nur um die Ecke, um miteinander zu reden. Auf die Unternehmungen selbst kam es letztlich nicht an, wichtig war nur das Empfinden restloser Gegenwart, etwas zwanglos Erfülltes, beinahe wie geträumt. Man sagte mir oft, ich hätte Geschick in diesen Dingen, aber es war anders, denn das Zusammensein mit Frauen beflügelte mich. Es war nichts in der Richtung schwüle Erotik, nichts, das drängte und auf den Punkt kommen wollte; es war viel besser, zum Für-sich-Behalten, und nichts für unbrauchbare Worte. Ich sprach auch niemals davon, solange alles noch so gelang, in dieser Zeit wurde ich erst wahrhaft schlau , und es waren Erfahrungen, wie ich sie mir vor vielen Jahren erhofft…

     
    Inzwischen hatte Sarah mit dem Studium begonnen, Biologie im Haupt-, Philosophie im Nebenfach, wie sie es schon lange angekündigt hatte. Morgens gegen sieben machte sie Kaffee, dann verschwanden wir kurz hintereinander und sahen uns meist erst wieder am folgenden Tag. Sie hatte sich im Lesesaal der Landesbibliothek einen Platz eingerichtet, nach wenigen Wochen türmten sich dort die Bücher, und sie versorgte die Ausleihe mit immer neuen, ausgefallenen Aufträgen. In der Wohnung dagegen fiel es ihr angeblich schwer, konzentriert zu arbeiten; sie brauchte, wie sie sagte, einen sterilen Platz, ähnlich dem in einem Büro. Ihr Studium war ganz fern von allem Privaten, gerade an dieser Ferne fand sie Gefallen; der Stoff war ein einziger massiger Fels und die Arbeit ein langsames, forschendes Eindringen in seine Struktur. Struktur war eins ihrer gängigen Wörter; sie liebte es, Themen zu gliedern und sich auf trickreiche Weise anschaulich zu machen. Aus der Biologie hatte sie das Modell des Stammbaums übernommen; es diente ihr dazu, unübersichtliche Fragen schnell zu entwirren. Sie zeichnete, gruppierte, entwarf ein Gerüst; an solchen Bildern orientierte sich ihr Gehirn. Ich fürchtete manchmal, daß sie das Studium übertrieb; doch in den ersten Wochen nach Verlassen des Elternhauses machte sie einen kräftigen, zielstrebigen Eindruck.
    Den Weg nach Mainz legte sie mit dem Bus zurück, unterwegs wurde gelesen, sie hatte ihre Zeit so eingeteilt, daß kaum eine Minute verschwendet war. Zwischen den Übungen ging sie alle paar Tage zum Schwimmen, sie hielt sich an eine vorgeschriebene Zahl von Bahnen, noch mehr als früher galt ihr Eifer jeglicher Quantifizierung. Mit mir unterhielt sie sich knapp; sie sprach nur selten von ihrer Arbeit, und sie ließ alles, was mich anging, beiseite. Ihre Kontakte zu anderen Menschen
erschienen mir spärlich, doch ich hielt mich draußen, da ich hoffte, solche Kontakte würden sich finden.
    Diese Hoffnung schien sich bald zu erfüllen, denn an einem Morgen fragte sie mich, ob es mir recht sei, daß sie einige Kommilitonen für einen Abend in unsere Wohnung einlade. Ich war froh, daß sie anscheinend Anschluß gefunden hatte, gegen solche Treffen hatte ich nichts, ich fragte nur nach, um was es denn gehe. Sarah erklärte, daß sie an einem Griechisch-Kurs teilnehme; der Kurs werde nur von vier Studenten belegt, ohne Griechisch-Kenntnisse mache Philosophie keinen Sinn. Die kleine Gruppe wolle sich auch außerhalb der Unterrichtsstunden zusammensetzen, man müsse das Lerntempo beschleunigen, um bald mehr als nur Grammatik zu treiben. Dreisen sei einverstanden, Dreisen leite den Kurs. Ich erkundigte mich nicht weiter, es handelte sich offensichtlich um eines ihrer Maximal-Projekte , mit denen sie schon soviel Erfolg gehabt hatte. Sarah erläuterte noch, Dreisen sei

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