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Agenten - Roman

Agenten - Roman

Titel: Agenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Tiegeln gesotten, unter wenige Eingeweihte zu bringen. Man saß in einem hellen, offenen Hof, eine hohe Mauer grenzte den Paradiesgarten von der lauten Straße ab, auf der die Eiligen an der verwitterten Holzpforte vorbeiliefen, nicht ahnend, daß hinter ihr Steaks, Schnitzel und Braten in tellergroßen Portionen serviert wurden. Corinna jauchzte auf, wenn sie an diese Mengen geriet, es war die Lust der Verfressenheit, die sie ganz packte; sie tunkte das Brot in die braunen, fettigen Zwiebelsaucen und schickte mich in die gute Stube , um Weißwein und Wasser zu holen. Drinnen ging es hoch her, seit früh um elf spielten Rentner hier Skat, und Mitglieder sämtlicher Fastnachtsvereine schrien sich den dörflichen
Stolz aus dem Leib. Es waren in die Jahre gekommene Filous , leicht reizbar und so konservativ, daß sie Studenten noch immer für Freischärler hielten. Am besten man machte einen großen Bogen um sie, dieser Konservatismus war nicht selten borniert, und man verdarb sich die Stimmung, wenn man auf so etwas Elendes einging. Draußen im Freien jedoch saßen die jüngeren Stammgäste, und am längsten Tisch hockten die Pressekollegen aus Mainz, breit gewordene Mannsbilder mit beneidenswert viel freier Zeit. Sie waren meist erheblich älter als ich, das lange Studieren steckte ihnen noch in den Knochen, doch durch ihre Arbeit glaubten sie sich diesen braven Tagen entkommen, aufgestiegen zu den seltenen Posten mit Durchblick. Wir setzten uns zu ihnen, und ein erst am Abend endender Nachrichtenaustausch begann, eine flinke Börse mit lauter Gemischtem, besser als alle Agenturtexte.
     
    Zu den Kollegen gehörte auch Dambmann, Redakteur seit fünfzehn Jahren, und wie ich war er es fast von der Schulbank geworden. Daß er nicht studiert hatte, gereichte ihm hier nur zum Vorteil, er gab sich kritisch gegen die studentischen Posen und setzte ganz auf etwas diffus Proletarisches , einen stets gleichbleibenden Trotz und Züge von hedonistischer Anarchie. Über den unzähligen, geduldig durchsessenen Debatten waren ihm die Haare ausgefallen, nur ein feiner Kranz war geblieben, der seiner an Sonnentagen schnell geröteten Glatze eine feierliche Drapierung verlieh. Dambmann sprach leise, so verschaffte er sich immer Gehör, und man erwartete von ihm abschließende Sätze, Urteile, die lang in Erinnerung blieben. Im Mainzer Pressemilieu waren seine Launen berüchtigt, in orgiastischen Nächten wurde aus dem sonst ruhigen Menschen ein bis zur Erschöpfung streitendes Wesen, schweißgebadet,
heimgesucht von hohen Blutwerten und Auswüchsen mittelalterlicher Völlerei. Donnerstag mittags dagegen hatte er seine gutmütige Phase, er plauderte gern, manchmal ironisch und bissig, und nannte uns Wiesbadener nur die dekadente Brut. Corinna setzte sich meist in seine Nähe, er war der richtige Widerpart für ihre kichernde Zutraulichkeit, und ich profitierte davon, weil Dambmann bei solchen Gelegenheiten über meine Jugend hinwegsah. Er hielt die Generation, die auf seine eigene folgte, für einen Haufen von Anpassern , und es war ihm nicht einzureden, daß es auch Ausnahmen geben mochte. Flickies, Strozzis nannte er uns, sein Vokabular war beachtlich. Angeblich war er in seiner Jugend häufig mit einem sprachlich talentierten Freund zusammen gewesen, der inzwischen einige Bücher veröffentlicht hatte; mir schienen diese Gerüchte Erfindungen zu sein, ich hielt Dambmann vor, in Mainz würden Bücher gedruckt , nicht geschrieben , so ein Freund sei zweifelsfrei nur ein Phantom, wenn auch ein interessantes, klug erfunden. Er wehrte mich ab, in Gesellschaft sprach er nie über private Dinge, er konterte mit Bemerkungen über meine Kleidung, und ich hatte das Nachsehen, weil die anderen sich mitziehen ließen und sich einen Spaß daraus machten, meinen Geschmack zu durchleuchten. So verliefen viele Donnerstage wie ausgedehnte Feste, mit der Zeit wurde Dambmann zum Freund, er war von der guten, sicheren Art dieser melancholisch gealterten Kumpel.
     
    Vera war in einem Frisiersalon angestellt und bestäubte ihre Freunde mit kostbaren Parfums; Susanne machte eine Buchhändlerlehre und las mir manchmal ein paar flapsige Sätze aus einem Taschenbuch vor; Jutta war stellenlos und verdiente sich etwas Geld beim Theater; Gudrun studierte Sport und
Leibesgymnastik, sie wollte mit mir laufen und wandern; Uta arbeitete im fashion shop eines Kaufhauses und brachte es fertig, sich an einem Abend dreimal umzuziehen, gerade nach Laune; Gaby war

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