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Aggression: Warum sie für uns und unsere Kinder notwendig ist (German Edition)

Aggression: Warum sie für uns und unsere Kinder notwendig ist (German Edition)

Titel: Aggression: Warum sie für uns und unsere Kinder notwendig ist (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jesper Juul
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Hass, sondern bloß darum, das hierarchische Verhältnis zwischen den Geschwistern zu etablieren oder neu festzulegen. Geschlecht, Alter und Altersunterschied sowie die Anzahl der Kinder spielen dabei auch eine wichtige Rolle, so dass die Erfahrungen in jeder Familie unterschiedlich ausfallen, genauso wie die Häufigkeit der Raufereien.
    Vor einer Generation waren diese Kämpfe in Anwesenheit der Eltern strikt verboten und wurden oft bestraft, was selbstverständlich keineswegs dazu führte, dass die Kämpfe aufhörten. Heutzutage werden sie selten bestraft, aber zutiefst missbilligt – vor allem von Müttern, die im Allgemeinen mehr zu Harmonie neigen und gegen Hierarchien sind. Doch selbst wenn Kinder brüllen, schreien und ihre Eltern um Unterstützung bitten, sollte man eins wissen: Kinder nehmen das Schlagen, Rangeln, Stoßen und die harschen Worte nicht so ernst. Der Wettstreit hört für gewöhnlich auf, wenn das erstgeborene Kind oder die beiden älteren Kinder in die Pubertät kommen – wenige Jahre später können sie sich an das Drama gar nicht mehr erinnern.
    Diese Art von Aggression und Gewalt hat Wettbewerbscharakter und ist zudem ein Ausdruck von Liebe – das hilft Geschwistern, eine lebenslange Intimität, gegenseitige Loyalität und Wärme zu entwickeln. Selbstverständlich wünschen sich viele Eltern, ihre Kinder könnten direkt bei der Liebe und Loyalität landen. Das geht jedoch nicht!
    Eine andere Form von Aggression zwischen Geschwistern wird häufig als »Geschwisterrivalität« benannt, doch ist diese Rivalität nichts anderes als ein Nachdenken über den Machtkampf zwischen den Eltern. Offen ausgetragen oder verborgen – in beiden Fällen halten Kinder den Eltern den Spiegel vor. Ganz anders verhält es sich in Familien, in denen sich Eltern verbal und körperlich verletzen. In solchen Familien halten Geschwister meist eng zusammen und tun ihr Bestes, um den Konfliktpegel der Familie zu senken. Einige Kinder aus solchen Familien werden möglicherweise ein aggressives oder selbstdestruktives Verhalten außerhalb der Familie an den Tag legen.
    Wann immer es zu Konflikten zwischen Menschen kommt, ist Aggression im Spiel – sie bestimmt nicht nur den Konfliktverlauf, sondern auch die Lösung. Wenn der eine Teil nur unterwürfig ist, könnte der Konflikt zwar leise ausfallen, aber er ist bei weitem nicht gelöst. Nur wenn man durch einige solcher Konfliktsituationen geht oder durch Betreuung von außen gelingt es, die Konflikte, die aufkommen, in einer etwas intellektuelleren Weise anzugehen. Es gibt kein Gesetz, das besagt, wir müssen 30, 40 oder 50 Jahre alt werden, um diesen Grad an Kompetenz zu erreichen. Allerdings ist es notwendig, in eine Familie hineingeboren worden zu sein, die Aggression nicht verurteilt und fähig ist, einen heranwachsenden Menschen über jene Brücke zu geleiten, welche die destruktive von der konstruktiven Aggression trennt.
    »Mobbing« ist die allgemeine Bezeichnung für das, was Menschen tun, wenn sie ihre verborgene Aggression und Frustration auf Kosten schwächerer Gruppenmitglieder austragen und die persönliche Integrität dieser Menschen verletzen. Das Phänomen ist vermutlich so alt wie die Menschheit und kommt überall dort vor, wo eine größere Gruppe von Menschen zusammenlebt und -arbeitet. Mobbing beschränkt sich demnach keineswegs nur auf Kinder und Jugendliche. Auch zwischen Lehrern untereinander, zwischen Lehrern und Schülern bzw. Schülern und Lehrern, zwischen Eltern untereinander, zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie zwischen Kollegen findet Mobbing statt und ist unabhängig vom Geschlecht.
    Da unsere Schulen immer weniger die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen sowie der Lehrer berücksichtigen, ist das Phänomen Mobbing eskaliert und zur Zielscheibe von Lehrern, Politikern und Experten geworden. Auch wird es als Problem zwischen Kindern definiert. Die Wahrheit ist: Mobbing erwächst aus Frustration – und Frustration hat sich zum gemeinsamen Nenner der meisten unserer Schulen entwickelt. Mobbing wird in größeren Gruppen immer vorkommen, aber wenn die Situation eskaliert und einen nicht mehr hinnehmbaren Grad erreicht, ist es ein Problem von mangelnder Führung – egal, ob in der Schule, in der Armee oder in einer Bank. Die Führungsetage ist für die Kultur in einer Organisation verantwortlich – weder die Kinder noch die Sekretärinnen (oder wer auch immer sich am Ende der Hierarchie befindet). [7]
    Da dies niemand,

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