Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin
Württemberg, die Beleidigung, die Schande – was kann mir dies alles jetzt noch bedeuten; nach dir …?
„Jetzt hast du dich von mir entfernt … jetzt sind wieder die Schatten in deinem Blick!“, hörte Albrecht mit dem gleichen Herzschlag die Stimme der Siebzehnjährigen. Nicht vorwurfsvoll hatte sie es gesagt, nicht anklagend; vielmehr so grenzenlos Anteil nehmend, so mitleidig. Der Herzog schluckte, verspannte sich unwillkürlich, wich innerlich ein Quäntchen zurück, obwohl er doch eben noch geglaubt hatte, die Affäre sei überwunden. Fühlte sich aber gleichzeitig aufgefangen in den Armen der Blonden und vernahm, wie sie hinzufügte: „Willst du es mir nicht sagen? Willst du es nicht teilen mit mir?“
Nein!, wollte er antworten; wie könnte ich denn dich in dieser Stunde so verletzen?! Aber dann war neuerlich ihr Streicheln da, und er begriff, dass nicht die Wahrheit sie treffen würde, sondern das Schweigen; dass sie nicht ausgegrenzt sein wollte, sondern bereit war, selbst etwas Quälendes zusammen mit ihm zu tragen. „Heute morgen noch dachte ich, ich müsste die Welt erwürgen“, erwiderte er. „Leichter wurde es dann beim Turnier, nachdem ich den Grafen besiegt hatte – und außerdem in mir die klemmende Lebensangst. Doch geheilt war ich nicht; ich glaubte es bloß, als ich den Entschluss fasste, den geilen, ins Badhaus zu gehen. Erst du, Agnes …“ Er brach ab; er begriff, wie groß die Gefahr eines Missverständnisses nach seinen letzten Worten geworden war, also schmiegte er sich an sie, küsste sie, liebkoste sie wie einer, der um Verzeihung bittet. Erst als er spürte, dass die Bedrohung gebannt war, sprach er weiter: „Und stattdessen – stattdessen, verstehst du?! – habe ich dich gefunden, und nun hast du mich gefragt, was geschehen ist …“ Als Agnes nickte, als er jetzt wieder die hemmungslose Zärtlichkeit in ihren Augen sah, fand er endlich den vollen Mut zur Schonungslosigkeit und Ehrlichkeit sich selbst gegenüber, und dann sprudelte es aus ihm heraus; alles …
Agnes Bernauer unterbrach ihn kein einziges Mal; sie hielt ihn nur fest, sie barg ihn an ihrer Brust dabei, und zuletzt, als er verstummen durfte, hatte er das Gefühl, dass sie auf wundersame Art seine Last auf sich genommen und sie dadurch gleichzeitig für sie beide aus der Welt geschafft hatte. Einen erlösten Atemzug tat er, Agnes lächelte, so warm, und dann senkte er seinen Mund über ihre Brust, über ihre Knospe und küsste sich fest dort und küsste sich tiefer, bis das süße Einswerden ihnen noch einmal geschenkt wurde.
Erst gegen Morgen schliefen sie beide ein, immer noch in der innigen Umarmung, und das Badhaus lag jetzt still und vom Nebel umflutet da in der verrufenen Gasse Zwischen den Schlachten zu Augsburg.
*
„Du hast ihm nicht einmal den Zuber gefüllt, auch hat er weder den Braten noch den Wein angerührt!“, herrschte um die Mittagsstunde des folgenden Tages der Bader seine Tochter an. „Wenn er nicht zufrieden gewesen ist mit dir, wenn etwa gar das Gerücht aufkommt, du hättest einen Herzog nicht bestens zu bedienen gewusst, dann …!“
Die Drohung hing im Raum, drunten im Erdgeschoss, wo sich schon wieder die ersten Angetrunkenen in den Bottichen suhlten. Doch Agnes Bernauer, seltsam verträumt kam sie dem Alten heute vor, reagierte gar nicht. „Hast du mir nicht zugehört, du Metze?!“, schrie der Bader nun. „Antworte! Was ist zum Beispiel mit dem Lohn gewesen?! Fortgeritten ist der Wittelsbacher, nachdem seine Knappen ihn aufgespürt hatten, ohne mich auch nur eines Blickes zu würdigen! Hat er dir denn wenigstens einen Gulden oder zwei dagelassen? Hat’s doch versprochen gehabt, dass es mein Schaden nicht sein solle, wenn ich dich mit ihm zusammenbringen würde!“
„Er wird ja wiederkommen, reg dich nicht auf“, sagte die Siebzehnjährige nun ganz sanft. „Das hat er mir versprochen …“
Grollend, doch jetzt einigermaßen mit seinem Schicksal ausgesöhnt, verschwand Kaspar Bernauer in die vordere Abteilung der Badstube. Agnes hingegen rief sich noch einmal den Abschied von Albrecht in die Erinnerung zurück.
„Drei Tage bin ich noch in der Stadt, und ich möchte dich jede Nacht sehen“, hatte er ihr gesagt. – Und nachher?, hatte die Blonde fragen wollen, hatte sich’s aber gerade noch rechtzeitig verkniffen. Sie wusste ja, er würde zurückkehren an den Münchner Hof, in seine Adelswelt. Sie konnte nichts ändern dran, musste sich abfinden damit. Dass ihm und
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