Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin
ihr noch drei Nächte bleiben würden, war sowieso schon ein großes Geschenk.
Drei Nächte, dachte sie nun und spürte dabei das Ziehen im Leib; so schön will ich sie ihm machen, als ob’s drei Ewigkeiten wären! Weil keiner jemals so gut zu mir gewesen ist wie er. Weil er so lieb war, dass er mich nicht durch ein paar hingeworfene Münzen beschämt hat. Jeder andere hätte gelöhnt nachher; er nicht! Weil er genau wie ich gefühlt hat, dass wir uns etwas geschenkt haben; gegenseitig. Und so wird’s wieder sein! Soll mich doch der Alte nach den drei Tagen verprügeln deswegen! Ist mir egal! Ich lass’ mir nicht kaputt machen, was gewesen ist – und was noch kommen wird …
Was kommen würde, wann er zu ihr zurückkehren würde – diese Gedanken ließen die Blonde den ganzen Tag nicht mehr los, während im Haus Zwischen den Schlachten der Betrieb wie üblich lief; während Agnes die Gäste bediente, die Wasserkannen schleppte und die Zoten der Besoffenen ertragen musste. Während sie die ganze Zeit über immer wieder einmal schnell nach draußen lief, um zu sehen, ob ein gewisser Kapuziner sich nicht vielleicht doch schon vor Einbruch der Dunkelheit sehen ließe. Dabei wusste sie doch, dass der junge Herzog jede Menge höfischer Verpflichtungen hatte. Trotzdem wollte sie sich nicht durch den Verstand um die Hoffnung bringen lassen; die berauschende, die süße. So verging ihr der Tag zwischen der gewohnten Erniedrigung, dem erregenden Herzweh und der Sehnsucht wie im Traum, bis dann endlich tatsächlich die braune Kutte auftauchte und es nur noch eine ganz kleine Ewigkeit dauerte, bis sich die Kammertür wiederum hinter dem Wittelsbacher und der Tochter des Ehrlosen schloss.
Drei Nächte lang hielt Agnes Bernauer das Versprechen, das sie sich selbst und insgeheim auch Albrecht von Bayern-München gegeben hatte; dann aber kam der Abschied, der unabdingbare.
„Nimm das von mir an – nicht als Lohn, sondern als Geschenk und Dank!“, sagte der Dunkelhaarige rau, während er das Kleinod aus seiner Gürteltasche nestelte. Der Morgen war noch grau; im Zwielicht erkannte die Siebzehnjährige eine goldene Kette, aus miteinander verschlungenen doppelten Gliedern geschmiedet. Ein ebenfalls gülden gefasster Rubin hing daran; noch nie im Leben hatte die Blonde etwas so Schönes gesehen, und gleichzeitig hatte ihr nie zuvor das Herz dermaßen geschmerzt.
Agnes’ gestammelter Dank kam einem Schluchzen gleich; noch einmal und vielleicht stärker denn je war die Brücke da, ebenso aber schien das schimmernde Metall etwas zwischen ihm und ihr zu zerschwertern. Zitternd jetzt wieder, ganz wie am Anfang, in der Nacht des Turniertages, duldete die Dunkeläugige, dass Albrecht ihr den Schmuck umlegte. Kalt und brennend spürte sie scheinbar jedes einzelne Kettenglied auf der nackten Nackenhaut; fremd und vertraut in seinem blutroten Glühen den Rubin auf der Brust. Gleich darauf aber fühlte sie nichts weiter mehr als seine Hände, die irgendwo in ihrer Nähe noch zögerten, obwohl das Schloss doch bereits zusammengesteckt war. Und sie warf sich herum zu dem, der hinter ihr gestanden hatte, und barg sich noch einmal, ein allerletztes Mal, in seinen Armen. Noch einmal verlor Agnes sich in der Wärme und im Aufgefangensein, danach aber war sie es, die sich von ihm löste und mit mehr als männlicher, nämlich mit weiblicher Tapferkeit sagte: „Nun musst du reiten, zurück nach München, und vielleicht werden du und ich uns nie wieder im Leben sehen. Aber du sollst wissen, dass ich nichts bereue und nichts rückgängig machen möchte; gar nichts!“
Fast wie auf der Flucht verließ der Herzog daraufhin den Raum; die Treppe polterte er hinunter, rannte hinaus auf die Gasse, wo bereits der Knappe mit dem ledigen Ross für ihn wartete. Und dann klang der Hufschlag auf, donnernd, als ginge es in eine Schlacht, und Agnes Bernauer lauschte ihm wie versteinert nach, bis er sich allmählich dem Domplatz zu verlor.
MÜNCHEN/AUGSBURG
Frühjahr 1428 bis Sommer 1429
Hertzog Albrecht, ain liebhaber
der zarten frawen …
Veit Arnpeck
… hetten einen ehelichen Heyrat beredt.
Margarethe von Waldeck
„Sie muss dir Hexensud in den Wein gemischt haben, anders kann ich mir deinen Wahn nicht erklären!“ Jan von Sedlec, Hofmeister Albrechts in der Alten Veste zu München, nahm wahrlich kein Blatt vor den Mund. Als langjähriger Freund und Vertrauter des Thronfolgers konnte er sich dies leisten; noch dazu waren beide am Pokulieren und
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