Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin
nicht näher greifbare Heimsuchung.
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Der Herzog hatte die Augsburgerin in der Vohburger Schlosskapelle vor dem Priester geheiratet; die Blonde vor den Augen der Welt zum Altar zu führen, hatte er freilich nicht gewagt. Er hatte es nicht wagen dürfen; unbedingt zum offenen Streit mit dem Alten, dem Ernst, hätte eine öffentliche Eheschließung geführt. Nur an der Donau, nicht aber in der Münchner Residenz durfte Albrecht Mensch und Mann sein, Vater dazu; gerade noch unter der Hand erlaubte ihm die Provinz, was die Sippe in der Hauptstadt ihm aus dynastischen Beweggründen heraus stahlhart verwehrt hätte. Dennoch näherte sich der Thronerbe im Spätherbst dieses Jahres 1432 der Isar mehrmals wieder; eine Verpflichtung, die er nach der Heirat immer stärker in sich gespürt hatte, trieb ihn hinüber ins Oberland während dieser Novemberwochen, und stets traf er sich dann mit dem Sedlec, dem bewährten Freund und Vertrauten.
In der Dezembermitte kehrte der Dunkelhaarige von einem dieser raschen Ritte mit einem geheimnisvollen Glänzen im Blick zu seiner morganatischen Familie zurück. Agnes zog er in seine Arme, das Kind herzte er, schließlich sagte er zu seiner Gattin: „Das Wetter ist noch mild genug, ich denke, wir können eine kleine Reise mit Sibylla ins Oberland wagen. Länger als eineinhalb Tage wird die Fahrt mit der vierspännigen Kutsche nicht dauern. In der Kalesche habt ihr es beide bequem und warm, und selbstverständlich kannst du dir auch eine oder zwei Mägde mitnehmen …“
„Ich verstehe dich nicht!“, unterbrach ihn die Blonde verblüfft. „Wir hatten doch abgemacht, dass du das Weihnachtsfest in der Münchner Residenz verbringst, weil es nun einmal dein Vater so von dir erwartet, ich aber mit unserer Tochter hier in Vohburg bleibe! Und jetzt …! Albrecht, wenn du mir noch einmal zumuten willst, dass ich unter den Augen deiner Schwester Beatrix …“
Er schnitt ihren Protest mit einem Kuss ab, dann erwiderte er: „Die Pfalzgräfin wird gar nicht am Hof sein; hält sich derzeit in den Niederlanden auf, um dort vermutlich die arme Jakobäa zu piesacken. Und mir steht der Sinn nach der Alten Veste ebenso wenig wie dir. Nein, Agnes, ich will zwar schon, dass du mit mir an die Isar kommst, aber mit der Hauptstadt hat unsere Reise gar nichts zu tun, auch wenn ich dich während des Christfestes dann leider tatsächlich für ein paar Tage allein lassen muss.“
„Das weiß ich ja, aber was ist denn nun wirklich im Busch?“, drängte die Bernauerin. „Erst verschwindest du etliche Male und sagst mir nicht, wohin du reitest, und jetzt spannst du mich auch noch dermaßen auf die Folter!“ Sie beutelte ihn scherzhaft. „Bitte! Treib doch nicht ein solches Spiel mit deinem armen Weib …“
„So arm bist du nicht, wie du denkst“, antwortete der Herzog lächelnd. „Und was ich damit meine, wirst du schon noch rechtzeitig erfahren. Aber erst an Ort und Stelle, mein Herz! Und nun sieh zu, dass du deine Mägde auf Trab bringst! Spätestens morgen Mittag wollen wir aufbrechen!“
„Wenn dir so viel daran liegt, dann muss ich ja wohl gehorchen“, gab die Blonde nach. „Ein Verrückter bist du; einer, bei dem man nie genau weiß, wie man mit ihm dran ist! Doch ich liebe dich, auch wenn du mich und unser Kind mitten im Winter nach Irgendwohin verschleppst!“
Kurz vor Sonnenuntergang des übernächsten Tages, mitten im Flachland zwischen Amper und Isar, gab der Wittelsbacher dem Kutscher das Zeichen zum Anhalten. Südöstlich, noch etwa eine Fahrstunde entfernt, nadelten die Türme der Residenz in den leicht diesigen Himmel. Doch nicht auf München wollte Albrecht seine Gattin aufmerksam machen, sondern auf ein behäbiges Bauerndorf, das ein gutes Stück vor der Stadt in der Ebene lag. Agnes’ Blick folgte dem ausgestreckten Finger, jetzt begriff sie gar nichts mehr, aber dann sagte der Thronerbe: „Das ist Menzing, und nicht weit davon liegt das Jagdschloss Blutenburg. Mein Großvater hielt sich oft dort auf, mein Vater jedoch meidet es; er sagt, das Waidwerk lasse sich gar zu lausig an in dieser Gegend. Mir hingegen gefällt die Landschaft; ich mochte sie immer, und nun würde ich gerne von dir wissen, ob sie dich auch anspricht?“
Die Bernauerin ließ die dunklen Augen wandern; ein Ahnen schien jetzt in ihnen zu liegen, ein vages freilich noch. Nach einer ganzen Weile erwiderte sie: „Doch, es ist sehr friedlich hier. Hier gibt es nichts Aufregendes, dafür aber etwas, das in
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