Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin
die angstvolle Ahnung seiner morganatischen Gattin hatte er längst wieder vergessen. Und doch war es so; Missgunst und Sensationsgier hatten so manchen Schranzen in München und auch in Vohburg scharfäugig und hellhörig werden lassen, und dass der junge Wittelsbacher der Augsburgerin auf widernatürliche Weise verfallen sei, glaubte man ohnehin immer schon gewusst zu haben. Möglicherweise hatten zudem noch der Goldschmied von der Donau und die Kleriker zu Laim geplaudert, und so war das hinterhältige Maulwetzen schließlich bis an die Ohren des regierenden Herzogs Ernst höchstpersönlich gedrungen.
Dennoch ließ der Glotzäugige sich davon kaum etwas anmerken, als er nun das Christfest zusammen mit seinem Sohn feierte. Das Lauern und dann das unvermittelte Zuschlagen waren vielmehr des Herrschers Art; er zuckte noch nicht einmal mit der Wimper, als Albrecht ihm ankündigte, dass er gleich nach den Feiertagen zurück nach Vohburg wolle.
„Bring die Grafschaft weiter in die Höhe und vergeude nicht zu viel Zeit mit deiner Mätresse und dem Bastard!“, schnauzte er bloß. „Und was die Bernauerin überhaupt angeht, so schwöre ich dir, dass du dir die Hörner bald abgestoßen haben wirst!“
Das lärmende Lachen des Alten, das unterschwellig bedrohliche, schien dem Dunkelhaarigen noch nachzuhängen, als er das Stadttor längst wieder passiert hatte.
STRAUBING/MÜNCHEN/REGENSBURG
Januar 1433 bis Februar 1435
Auf das geloben wir, daß wir im Niederland sitzen,
und wesentlich dort sein wollen, und seinen Landesteil
treulichst regieren bis auf sein Widerrufen …
Albrecht von Bayern-München
in einem Brief an seinen Vater Ernst
Hans Zenger von Zangenstein, Dietrich Staufer
zu Ernfels, Hans Frawnberger zu Zaitzkoven und
Degenhart der Hofer zu Sinching vor den Rath
gekommen und … gebeten, einen Hof zu Turnir
und Schimpf in der Stadt zu vergönnen …
Gemeiners Chronik von Regensburg
Wer also, laut den Thurnier-Gesetzen, nicht in
edlen Stämmen bleibt, sondern außer Stand
heyrathet und sich mit dem Pöbel vermenget,
der derogiert dadurch seinem Adel …
Deutsche Turnierregeln
Damit er sich die Hörner abstoßen sollte, wurde er hinaufgestoßen; eine Stufe höher getrieben auf der feudalen Leiter: In einem überraschenden Erlass ernannte Herzog Ernst im Januar 1433 seinen Sohn Albrecht zum Statthalter von Straubing.
Als klotziges Geviert erhob sich die weitläufige Wittelsbacherburg am südlichen Ufer des Altwassers; der Dunkelhaarige hatte die Anlage noch vom Sommer 1431 her in eher unguter Erinnerung. Damals freilich, in den Rüsttagen vor dem Hussitenkrieg, hatte die Hitze gebrütet über den Zinnen und Türmen; jetzt nistete der Frost in den Mauern, war da und dort, wo draußen der Ostwind auftraf, zu ruppigen Eisbärten ausgeronnen. Frostig auch verlief der Empfang für den noch nicht ganz zweiunddreißigjährigen Thronfolger im Prunksaal der Feste nahe dem toten Donauarm.
Der Glotzäugige, am Vortag in höchsteigener Person aus München angereist, fand unter der wuchtigen Balkendecke kein einziges familiäres Wort für seinen Erben. Die Floskeln der Bestallungsurkunde raunzte er Albrecht entgegen, als hätte er nichts weiter als einen Armeebefehl zu verkünden. Im Rücken Ernsts, wie eine aufgeplusterte und stahlbewehrte Menschenmauer, ballten sich die Ritter und anderen Würdenträger des Straubinger Landes zusammen. Als wollten sie den neuen Statthalter ausgrenzen und Front machen gegen ihn, so standen sie ihm scheinbar gegenüber; das steife Protokoll schien ihnen in dieser Hinsicht sehr zupasszukommen. Abneigung, unterschwellige Feindschaft vielleicht sogar, meinte der Dunkelhaarige in den verkniffenen Augen des Frawnberger zu Zaitzkofen, des Staufer zu Ernfels, des Gleißenthaler zu Zeltsch, des Zenger von Zangenstein, der beiden reichen Nußberger oder des Hofer zu Sinzing zu lesen. Selbst der Nothafft zu Wernberg, zugleich Vitztum 56 der Gäubodenstadt und ihres Umlandes, schien vergessen zu haben, dass er zusammen mit dem jungen Wittelsbacher erst eineinhalb Jahre zuvor im Feld gestanden hatte. Stur auf ein mannshohes gotisches Kruzifix, das schräg hinter seinem künftigen Herrn an der Wand hing, starrte er die ganze Zeit über. Erst als der regierende Herzog zum Ende kam mit seinem Sermon, löste der Graf den Blick vom Gekreuzigten; doch nur, um ihn dem Mundschenk zuzuwenden, der jetzt an der Seitenwand des Saales die Pokale zu füllen begann.
Furios setzte an der großen Tafel das Saufen
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