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Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin

Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin

Titel: Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckl
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Sinn hatte ihm dies eingegeben, die unausgesprochene Angst um Agnes und Sibylla dazu. Er küsste die Mooräugige zärtlich, streichelte dem Mädchen über den Kopf und verließ den Raum, um die Kanzlei aufzusuchen. Die Bernauerin blieb mit dem zweieinhalbjährigen Kind wie verloren an der Tafel sitzen. Auf den Teller ihres Gatten starrte sie, auf den Teller, der nicht leer gegessen worden war; aus dem eigentlich trivialen Anblick wuchs ihr erneut und schlimmer noch als zuvor die Furcht auf.
    Es war ihr, als sei etwas abgeschnitten worden und abgetötet liegen geblieben; als sei nicht nur das Fleisch erkaltet, sondern ein unguter Frost über die ganze Welt gefallen. In einer Hütte mit ihm und Sibylla leben, dachte sie, das möchte ich; warum ist es uns nicht vergönnt?! Es war der alte Traum, der heimliche und irrationale; die atavistische Sehnsucht aller Liebenden. Doch die Welt, gerade in ihrem Fall, stand dem so brutal entgegen. Die will unsere Liebe nicht!, durchzuckte es Agnes. Die hat sich ihr immer feindlich gezeigt und wird nie davon ablassen! Albrecht weiß es ebenso gut wie ich; wir wagen es bloß nicht, ganz offen darüber zu sprechen. Aber das dürfen wir ja auch nicht tun; die Konsequenz wäre der Tod unserer Liebe! Dann wäre alles aus, dann wäre alles vorbei; das wäre dann der Weltuntergang! So hat er schon recht, wenn er sagt, dass wir zusammenhalten müssen – und wenn es auch ein blindes und vernunftwidriges Aneinanderklammern ist. Etwas anderes gibt es nicht; das ist das einzige, was wir haben; was uns niemand nehmen kann! Ich glaube jedenfalls, dass uns das niemand rauben kann; ich hoffe es so sehr, und doch …
    Sie fuhr hoch aus ihrer Verlorenheit, wirr wischte der allerletzte dunkle Gedanke weg, und dann war wieder das Zupfen an ihrer Brust da; sie wurde sich bewusst, dass Sibylla auf ihren Schoß geklettert war. Agnes schlang die Arme um das Körperchen der Zweieinhalbjährigen; liebkoste sie, presste sie. „Was hast du, Mama?“, fragte das Mädchen ganz nahe an ihrem Gesicht. „Du hast so traurig ausgesehen!“
    „Es ist nichts“, erwiderte die Bernauerin. „Ich bin doch nicht traurig; ich habe doch dich!“ Noch näher kam die Stupsnase, und dann fühlte Agnes den feuchten Kuss; mit einem Aufwallen – halb immer noch Verzweiflung, halb aber Hoffnung – in der Seele dachte sie: Wenn doch nur der Münchner dies spüren könnte! Das ist doch auch sein Fleisch und sein Blut; vielleicht könnte er dann zur Barmherzigkeit finden!
*
    Herzog Ernst indessen fand es noch nicht einmal notwendig, auf den Brief seines Sohnes zu reagieren. Nichts als eisiges Schweigen kam aus der oberländischen Residenz, während allmählich der März verstrich. Als Albrechts Späher tatsächlich Truppenbewegungen im Viechtacher Raum meldeten, verlor das Paar im Straubinger Schloss die letzten Illusionen, an die es sich bisher noch geklammert hatte. Das Osterfest stand jetzt unmittelbar bevor; der Statthalter konnte sich nicht daran erinnern, jemals eine derart martialische Karwoche erlebt zu haben. In dem Gemäuer am Donaualtwasser hatten anstelle der Priester die Waibel und Hauptleute das Sagen; sogar am Sonntag des hohen Kirchenfestes dann blieben auf den Wällen die Kanonen ausgerannt. Der Tag jedoch ging noch einmal friedlich vorüber; dass zumindest auch für den Montag nichts Schlimmes zu befürchten sei, versicherte der Dunkelhaarige am Abend seiner Gattin. Die feindlichen Truppen seien mittlerweile zwar näher herangezogen, doch wolle er darauf schwören, dass sie wenigstens den Feiertagsfrieden achten würden.
    Darin hatte er sich freilich schwer getäuscht, denn um die Mittagsstunde des Ostermontags preschte plötzlich einer der Späher mit einer Pfeilwunde in der Schulter über die Straubinger Zugbrücke und keuchte, ehe er blutend vom Ross stürzte, den Hellebardieren am Tor seine Botschaft entgegen: dass die Böckler unversehens aus dem Vorwald herausgebrochen seien und sich ganz offensichtlich anschickten, den herzoglichen Markt Bogen zu berennen und einzunehmen. „Und der Sturm kann ihnen im Handumdrehen gelingen“, schloss der Unglücksbote, „weil sich die Bogener just zur Messe auf ihrem Wallfahrtsberg versammelt haben und kaum ein Hund hinter den Mauern zurückgeblieben ist!“
    Als Herzog Albrecht, Minuten später, die schlimme Kunde vernahm, erbleichte er. Der Alarm war zu spät gekommen, der Späher hätte viel früher eintreffen müssen; doch wie, mit der Pfeilwunde, die ihn

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