Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin
Stadt bringen. Den Marktbürgern, unter denen es gottlob nur Blessierte gab, versprach er, sie alsbald für die angerichteten Verheerungen zu entschädigen.
Immer noch den eisigen Schrecken im Blut, trotz des Sieges, ritt der Wittelsbacher in der Abenddämmerung dieses denkwürdigen Ostertages heim. Als er das fremde Ross über die Zugbrücke des Straubinger Schlosses lenkte, eilte ihm inmitten der Schranzen auch eine von Agnes’ Zofen entgegen und rief ihm zu, dass seine Gattin am frühen Nachmittag von einem hitzigen Fieber befallen worden sei; fantasierend liege sie in der Kemenate, und der Arzt habe nicht mehr für sie tun können, als sie ohne sichtbaren Erfolg zur Ader zu lassen.
*
Sie kam zu sich, kaum dass er sie berührt hatte. Mit einem Schrei, ganz ähnlich dem, der am Anfang ihrer Ohnmacht gestanden hatte, fuhr die Vierundzwanzigjährige von ihrem durchschwitzten Lager hoch. Sie klammerte sich an ihn, sie barg sich bei ihm, sie krallte ihm die Nägel ins Fleisch, ohne in diesem Augenblick auf seine Wunden zu achten; sie zerbiss ihm im unerhörten Wiederfinden die Lippen. „Du!“, stammelte sie nach dem wilden, hemmungslosen, fast kannibalischen Kuss. „Du lebst! … Du bist da! … Du bist nicht tot?!“
„Es war knapp“, zwang er sich zu sagen. „Der Dankesreiter, der Waibel, hat mich herausgehauen, als ich schon dachte, ich sei hin …“ Er wollte nicht, dass sie dies wusste, doch er konnte sie auch nicht belügen. „Es ist vorbei“, setzte er hinzu. „Wir haben die Hundsfötter verprügelt, ein Dutzend Leute hat die Böckler der feige Überfall gekostet; sie werden so schnell nicht wiederkommen. Genug davon! Wichtiger bist du! Was ist geschehen, mein Herz?! Warum finde ich dich krank vor?! Du warst doch vor wenigen Stunden noch …“
„Die Mauer, die Schatten – und dein blutiges Bild …“, stöhnte die Bernauerin. „Das Schwert gegen deine Brust … – Du und ich, wie im Totenland … – Ich wollte sterben mit dir! Dein Tod … war meine Schuld, meine furchtbare Schuld ganz allein …“
„Du fieberst noch immer; sei ruhig, sei ganz ruhig!“ Albrecht bemühte sich, es sehr sanft zu sagen, auch wenn er sie am liebsten angebrüllt hätte; ihre letzten Worte hatten ihn ärger als Klingen getroffen. „Du darfst nicht so reden!“, fuhr er fort. „Ich lebe, und was das andere angeht, so hast du nichts zu tun mit der Infamie der Ritter; gar nichts!“
„Doch!“ Die Blonde bäumte sich gegen ihn auf. „Der Aufstand, deine Wunden, die Todesgefahr – alles nur wegen mir! Gefallene hat es gegeben, du hast es selbst gesagt! Auch wegen mir! Weil ich mich vermessen habe, von der Badstube ins Herzogsschloss zu ziehen! Weil du in mir eine Dirne auf den Thron gehoben hast! Weil ich nicht die Kraft gefunden habe, zu entsagen; weil ich mich immer fester an dich geklammert habe! In Regensburg hast du leiden müssen durch meine Schuld, und heute hättest du aufgrund meines Frevels um ein Haar dein Leben verloren! Ich bringe dich ins Unglück, Albrecht; ich zerstöre dein Leben, deinen Ruf, deinen Adel! Du darfst mich nicht länger bei dir behalten, sonst gibt es noch mehr Unheil! Zu den Toten von Bogen werden weitere kommen, ich weiß es! Die Leichen werden sich häufen, und dich – mein Fluch, mein Leben! – wird dann auch keiner mehr retten können! Dann wird das Schwert dein Herz doch noch durchbohren …“
Sie schluchzte, sie wimmerte, sie keuchte. Albrecht vermochte sie kaum noch zu bändigen; das Fieber schien jetzt auf einmal wie Flammen aus ihr zu schlagen. „Du musst mich verstoßen!“, röchelte sie. „Ich verlange es von dir! Nur so kann mir vergeben werden; es gibt keinen anderen Weg …“
Mit dem nächsten würgenden Atemzug erschlaffte sie in seinen Armen. Der Dunkelhaarige, auffahrend, befürchtete schon, eine neue Ohnmacht hätte sie befallen, aber dann wurde ihm bewusst, dass ihre Augen erschreckend klar und intensiv auf seinem Antlitz ruhten. Sie hatte ihm ihr Leben preisgegeben, ihr unendlich nacktes Inneres, und nun verlangte sie von ihm die Antwort. Und er fühlte diese Augen brennen und stürzte sich mit seiner eigenen nackten Seele hinein in sie – und schrie sie an: „Nein! Nicht einmal Gott dürfte dies von mir verlangen! Ich lasse dich nicht! Nie lasse ich dich; eher gehe ich zusammen mit dir unter! Das Schwert heute war mir sehr nahe, und dennoch hat es mich kaum versehrt! Du aber, wenn du – DU! – mich verstößt, du würdest mich töten!
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