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Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin

Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin

Titel: Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckl
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solcher Sache
genötigt worden sei; und das sei unserem obgenannten
Beichtvater auch während der Beichte berichtet worden.
Er hat uns darum in der Beichte ernsthaft empfohlen,
uns … gebührend zu verhalten, damit solches Übel …
bestraft wird. …
Aufgrund der Unterweisung durch unseren Beichtvater …
haben wir die Juden festgenommen und haben sie
nach Umfang und Art der Tat bestraft.
Aus einem offiziellen Schreiben Albrechts
vom Mai 1435 an seinen Vater

    Der fahrige Faustschlag kam aus der Dunkelheit heraus und verfehlte nur knapp ihre Wange.
    Im ersten Moment war Agnes Bernauer versucht, um Hilfe zu rufen; in der winzigen zwitterhaften Zeitspanne zwischen dünnem Morgenschlaf und jähem Aufgeschrecktwerden glaubte sie an einen Angriff von Meuchlern, an ein Attentat. Doch gleich darauf brachten der bittere Schweißgeruch und das Zähneknirschen sie völlig in die Realität zurück. Der Hieb war von ihrem Gatten gekommen; soeben wälzte er sich wieder mit grauenhaft verzerrtem Antlitz in seinem Albtraum, und dann zuckten seine zusammengekrallten Finger erneut gegen sie heran.
    Die Blonde, eher instinktiv als bewusst, fing den Schlag diesmal im letzten Augenblick ab. Albrechts Arm schien sich zunächst gegen ihren Griff zu wehren, schien sich jedoch schon einen Herzschlag später darin bergen zu wollen. Unter jetzt verflachendem Zähneknirschen drängte der Dunkle auch seine Schulter und dann den Kopf an die verschreckte Wärme der Frau heran; als Agnes in seinem feuchten Haar zu wühlen begann und ihn ansprach, öffnete er die Augen.
    „Du …?“, murmelte er. „Nicht der Alte … die Böckler?! Mein Gott, ich habe gemeint, dass …“
    „Es ist nichts! Sie sind doch aus Bogen geflohen“, flüsterte die Vierundzwanzigjährige. „Sie können dir nichts mehr anhaben! – Komm her, komm ganz zu mir; lass mich dich ganz fest halten, ich bin doch bei dir!“
    Er gehorchte; er nahm die Geborgenheit an und kroch an ihren Leib wie ein Kind. „Er hat uns schlachten wollen … durch hundert Henker … und hundert Schwerter, die ihm zu Diensten waren …“, stammelte er noch, ehe der Schlaf ihn neuerlich übermannte. Ja, das hat er, dachte Agnes, und er hat dich damit ärger getroffen, als er es selbst wahrscheinlich für möglich hielt. Weil du ihm immer noch vertrauen wolltest, so wie eben ein Kind dem Vater vertrauen möchte. Und dann auch noch der Brief neulich; der muss für dich wie tausend eiserne Streiche gewesen sein …
    Als sie sich an das zerknüllte Pergament erinnerte – sie hatte es gefunden und heimlich gelesen –, hatte sie das Gefühl, als würde sie plötzlich selbst von einem unerträglichen Albdruck gequält. „Zuberhur’!“, stöhnte sie. Mehr hat er über mich nicht zu schreiben gewusst, der Alte; der Wolf! Nur das eine Wort; meinem Gatten so gemein hingerotzt … – Sie schrak zusammen; sie schalt sich innerlich dafür, dass ihr der Laut entschlüpft war, denn nun begann der Mann in ihren Armen schon wieder unruhig zu werden. Ihr eigenes Verletztsein drängte die Mooräugige also zurück, damit sie einmal mehr ihm beistehen konnte; erneut streichelte sie ihn und schützte sie ihn mit ihren schmalen Händen, bis sie auf seiner Haut die unbewusste Entspannung spürte. Dabei hoffte sie, dass dies anhalten würde, auch über die nun immer greifbarer in den Raum stichelnde Morgendämmerung hinaus; ihr Verstand freilich sagte ihr gleichzeitig, dass ihm und ihr vermutlich doch nur ein kläglicher Aufschub vergönnt sein würde.
    Nicht anders geschah es. Beim Frühstück, keine zwei Stunden später, schienen Albrechts Augen jäh zu vereisen, schien er das Mädchen und die Frau von einem Lidschlag auf den anderen überhaupt nicht mehr wahrzunehmen. Wieder war der Ausdruck in seinen Pupillen, den die Blonde zu fürchten gelernt hatte, seit die Depesche aus München angekommen war; nun, da er das Mundtuch hinwarf, duckte sie sich stumm. Ebenfalls wortlos verließ der Statthalter das Erkerzimmer, beinahe wie eine Flucht war es. Draußen im Burghof dann schnauzte er einen der Knappen an, dass er aufsatteln lassen solle; auf die verstörte Frage des Halbwüchsigen hin setzte er unwirsch hinzu: „Keine Begleitung! Geh zum Teufel damit!“
    Der Dunkelhaarige hetzte den Hengst zur Donau hinüber, trieb das Tier dann erbarmungslos weiter stromabwärts; Bogen zu. Schon einmal, im Januar 1433, hatte der Wittelsbacher nach einem ähnlichen Ritt geistige Klarheit und wieder Lebensmut gefunden; auch jetzt

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